1.-2. Juni: Bye, bye Pamir und auf in den Norden Tadschikistans

Man braucht 2 Tage, um in den Pamir zu gelangen. Die indische Reisegruppe macht den Rückweg zwar an einem Tag, aber das ist eher ungewöhnlich und bedeutet mindestens 14 Stunden Fahrt. Besonders auf der ersten Etappe von Khorugh nach Kalaikum ist die Straße sehr schwierig, danach, von Kalaikum nach Duschanbe, geht es dann viel besser. Es ist interessant wie sich die Wahrnehmung verändert. Auf dem Hinweg habe ich die Strecke zwischen Kalaikum und Khorugh noch als Höllenritt bezeichnet, jetzt denke ich, sie ist gar nicht so schlimm. Wir sind offensichtlich später viel schlimmere Straßen gefahren, sonst würde es uns jetzt nicht so vorkommen.

Am 1. Juni fahren wir um 6 Uhr morgens von Khorugh los. Es gab am Vorabend eine kleine Diskussion mit dem Fahrer, der meinte, er würde es bis zur Straßensperre in 4 Stunden schaffen und deshalb erst um 7 Uhr loswollte. Der Guide und wir hatten etwas Bedenken, da wir auf dem Hinweg den ganzen Tag unterwegs waren, und wollten daher eigentlich um 5 Uhr los, um rechtzeitig zur Öffnung der Straße da zu sein. Am Ende schließen wir einen Kompromiss, fahren um 6 Uhr los, müssen dann aber noch eine Stunde an einer Straßensperrung warten, die allerdings früher als erwartet kam. Naja, unser Fahrer hatte wohl doch eher recht, wahrscheinlich, weil auch er nun mehr Erfahrung gesammelt hatte und auch deutlich schneller unterwegs war. Obwohl er auch ganz schön leidet. Als wir an der Straßensperrung halten müssen fragt er mich, warum er so rote Augen hat, und ich gebe ihm meine Augentropfen zur Linderung. Ich zeige ihm, wie man sie benutzt, aber natürlich schafft er es nicht sie sich alleine reinzumachen. Das werde ich in der Wartezeit ein paar Mal für ihn machen. Ich erkläre ihm dann, dass es auch an der starken Sonne liegen kann und er meint, dass er keine Sonnenbrille hat. Ich glaube es war hier, wo er mir sagt, dass er einfach nicht für die Berge gemacht ist. Wir lachen beide.

Irgendwann auf der Strecke ruft mich der tadschikische Arbeitskollege vom Workshop an. Er erkundigt sich freundlich, ob alles in Ordnung ist, bietet noch einmal seine Hilfe an, falls ich irgendetwas brauchen sollte, und schickt mir am Ende sogar noch den Kontakt eines Kollegens im Pamir. Dieser ruft mich am Folgetag sogar an, fragt nach, ob er mir irgendwie helfen kann, und wirkt fast etwas enttäuscht als ich ihm sage, dass wir schon wieder auf dem Rückweg sind. Ach, es ist echt nett zu sehen, dass sich alle so um einen sorgen. Ich berichte dem Kollegen auch, dass wir das Obst schon fast komplett aufgegessen haben und schicke ihm noch ein paar Fotos aus der Region per WhatsApp.

Da wir alle Straßensperrungen mittags durchfahren mussten, was ca. 90 Minuten gedauert hat, können wir erst danach eine Mittagspause machen. Erst 15 Minuten vor unserem heutigen Etappenziel Darvoz bei Kalaikum finden wir ein Restaurant. Wir sind alle total fertig und schlafen beim Essen fast ein, nicht zuletzt, weil irgendwann das Licht ausgeht. Irgendwie raffen wir uns dann aber doch wieder auf, denn das Restaurant ist nicht weit weg von Karon und so beschließen wir danach noch hoch zu der antiken Stadt zu wandern. Aus den 1,4 km laut Schild werden in der Realität 2 km pro Richtung, die auf dem Rückweg bergab deutlich leichter zu passieren sind. Wir machen ein paar schöne Fotos und lassen den Abend ruhig im Homestay ausklingen. Wir sind froh, dass wir Karon noch machen konnten; eigentlich war das für den Hinweg geplant, aber da wir so früh aufstehen mussten um rechtzeitig die Straßensperrungen zu passieren, hatten wir dafür keine Zeit.

Am nächsten Tag fahren wir mit einen tiptop geputzten Auto zurück nach Duschanbe und machen wieder einige schöne Fotos. Unser Fahrer hat am Vorabend noch das Auto geputzt, weshalb wir alle Sachen rausnehmen mussten. Das passte uns ganz gut, so konnten wir schon alles für den Flug nach Khujand zusammenpacken. Ein letztes Mal frühstücken wir in unserem Homestay auf der Terasse über dem Flüsschen. Apropos, der Fluss führt nun richtig viel Wasser und ist eher ein reißender Strom geworden, dabei waren wir nur ein paar Tage weg. Gestern Abend wurde es auf der Terasse auch noch ziemlich abenteuerlich, da es extrem windig war und der Wind so einige Sachen umgeworfen bzw. in den Fluss geweht hat, z.B. die Schüssel der Besitzerin. Unser Guide erzählt uns am nächsten Tag, dass der Wind Afghanka genannt wird, also afghanischer Wind.

Am letzten Tag passiert noch so einiges. U.a. erzählt unser Guide, dass sie alle Check-Points nur passieren konnten indem sie Geld über den Tisch haben wachsen lassen. Üblich sind wohl 1 oder 2 Dollar. Natürlich sagt kein Beamter, dass er Geld will, er stellt einfach nur viele Fragen und am Ende bezahlen die Tadschiken halt Geld, um weiterfahren zu dürfen. Das Gleiche passiert wohl bei der Polizei, die uns allein in Kubol gleich zwei Mal anhält. Manchmal zieht das Argument, dass unser Guide sagt, er hat internationale Gäste im Auto, aber nicht bei allen. Ausserdem werden wir beim Mittagessen noch so richtig abgezogen. An der Straße in Nurek fragen wir nach einem Platz zum Essen und die Kinder dort weisen auf einen Ort ein kleines Stückchen weiter. Der ist wirklich traumhaft, mit einem Taptschan direkt am Wasser. Wir essen leckeren Fisch und Pilze, gehen am Ende sogar noch baden, was auch ziemlich toll ist, wenn auch viel kälter als erwartet. Der Schock kommt dann erst am Ende als wir unseren Guide einsammeln wollen und der mit dem Besitzer lautstark diskutiert. Vom Guide erfahren wir später, dass sie dreimal so viel für das Essen haben wollten wie üblich und, dass sie wohl das Gewicht des Fisches beim Fang, nicht, wie üblich, beim Servieren berechnet haben. Nach 15 Minuten Diskussion und einem 1:3 Ungleichgewicht, bezahlt unser Guide verärgert. Er sagt, er habe soetwas noch nie erlebt und wird sich beim Bürgermeister beschweren, damit der Laden geschlossen wird. Ob er das am Ende tatsächlich macht oder den Einfluss hat, wissen wir nicht, manchmal sagt man solche Dinge ja auch nur so dahin in Rage. Es tut uns trotzdem leid für ihn und überschattet etwas den tollen Nachmittag und Ort dort. Die Fotos sind aber ganz nett geworden.

Nurektal

Am Ende bringen uns die beiden noch zum Flughafen, wir geben Ihnen beiden ein großzügiges Trinkgeld und verabschieden uns von Ihnen. Der Fahrer fand uns sehr nett, will uns nächste Woche in Duschanbe zum Spaziergang treffen und wir tauschen Nummern aus. Er fragt, wann wir wieder mal hier sind und ob er uns anrufen kann, wenn er in den USA ist, was wir bejahen. Auch unser Guide meint, dass er vielleicht die Stadtführung in Duschanbe nächste Woche organisiert. Vielleicht sehen wir dann beide ja noch einmal vor der Abreise wieder, was uns sehr freuen würde. Dann können wir mit dem Fahrer auch noch einmal Englisch üben. Das haben wir während der letzten Tage ständig gemacht und er hat richtig viel aufgeschnappt, mir sogar den einen Tag eine Vokabelliste gezeigt und ich habe ihn abgehört. Er scheint jetzt richtig motiviert zu sein. Das freut uns.

31. Mai: Von Bulunkul zurück nach Khorugh

Heute machen wir die Runde voll und fahren zurück nach Khorugh. Zuvor jedoch absolvieren wir zu viert eine kleine Wanderung von unserem Homestay zum Bulunkulsee. Zum Glück ist es relativ flach hier, denn auf ca. 3700 Meter sind wir ganz schön aus der Puste. Wir haben gut geschlafen, unser Fahrer allerdings nicht. Bei ihm zeigten sich schon am Vorabend die typischen Symptome der Höhenkrankheit: Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit und nachts dann auch Schlafschwierigkeiten. Am Morgen ist er total übermüdet und friert, denn sein Reisegepäck besteht nur aus einer kleinen Tüte und seine Standardkleidung aus einem Tshirt, einer Jeans und Lederjacke. Er hat keinen Pulli mit, kein Halstuch oder ne Mütze, nicht mal eine Sonnenbrille. Julian gibt ihm seine Daunenjacke für die Wanderung zum See am Morgen, die er erstaunlicherweise auch annimmt. Irgendwann während der Reise sagt Ismail selbst auch, dass er wohl nicht für die Berge gemacht ist. Hahaha, ja, das mag sein.

Die kleine Wanderung zum Bulunkulsee ist sehr schön und eine nette Abwechslung von den die Tage doch dominierenden Autofahrten. Es ist so ruhig hier, man hört nur das Zwitschern der Vögelchen und niemand ist hier. Es macht Spaß über die nassen Flächen seinen Weg zu finden und teilweise auch zu springen. Ich habe da mit den Stöcken schon einen kleinen Vorteil im Vergleich zu den Männern, von denen unser Guide und Fahrer später sogar mit nassen Schuhen zurückkehren. Wir sehen auch ein paar Pferdchen und eine Kuh mit ihrem Kalb. Als wir das Kalb genauer beobachten, bemerken wir, dass es noch sitzt und beim Aufstehen extrem unsicher ist, sogar wieder zusammenbricht. Wir vermuten, dass die Mutter es gerade erst geboren hat. Nach ein paar Versuchen schafft es das Kleine dann aufzustehen, und auf dem Rückweg unserer Wandeung sehen wir, wie die beiden langsam von Dannen ziehen. Toll, dass wir gerade im richtigen Moment ankamen.

Nach der Wanderung haben wir noch etwas Zeit bis zum Mittagessen und erkunden den kleinen Ort. Ich hätte nicht gedacht, dass das soviel Zeit in Anspruch nehmen würde, da dort nur ca. 20 Häuser standen. Das ist die übliche Art vor Ort die Einwohnerzahl zu bestimmen – über die Häuser, das hatte ich schon auf der Wanderung mit dem Dorfbewohner bei Garm Chashma gelernt. Die genaue Einwohnerzahl weiß man da einfach nicht. Naja, zurück zum Thema, wir erkunden also den Ort. Es fängt damit an, dass wir den Besitzer unserer Unterkunft in den Container, der zur Wetterstation gehört und sich direkt vor der Unterkunft befindet, gehen sehen. Als er nach wenigen Minuten herauskommt, sprechen wir ihn an. Er erzählt uns, dass er alle 3 Stunden, Tag und Nacht, die Wetterdaten nach Khorugh übermittelt. Hier herrschen im Winter wohl sogar um die minus 60 Grad Celsius. Er macht das seit 3 Jahren, davor hat das sein Vater 40 Jahre lang gemacht. Er hat damit eine sichere Einkommensquelle. Ausserdem erzählt er, dass er der Lehrer im Ort ist. Er unterrichtet Mathe, Tadschikisch und Russisch. Er hat 5 Jahre in Khorugh studiert und dort einen Wirtschaftsabschluss gemacht, ausserdem hat er 2 Jahre in Murghob die Lehrerausbildung absolviert. Sehr interessant, denken wir, und sind froh, dass ich Russisch spreche, was Vieles hier einfacher und uns unabhängiger vom Guide macht. Am Ende zeigt er uns noch sein Treibhaus, in dem sie Gurken und Kräuter anbauen. Sie haben auch eine Jurte, wie auch ein oder zwei andere im Ort, die sie im Sommer an Touristen vermieten. Jetzt ist es aber noch zu kalt darin zu übernachten.

Der Ort Bulunkul
Die Wetterstation

Auf dem weiteren Spaziergang schauen wir uns die Schule von außen an, kaufen etwas im einzigen Shop im Ort, der extra für uns aufgeschlossen wird, schauen uns die Brunnen an, aus dem eine Frau auch gerade manuell Wasser holt, beobachten einen Nachbarn beim Hausputz, bewundern die Stapeltrockentechnik für den Kuhmist, der zum Heizen verwendet wird, essen frisches Brot, das uns auf dem Spaziergang von einem Dorfbewohner geschenkt wird, erheitern uns an seiner Technik, den Motor des Autos anzuwerfen (ein paar kräftige Schritte gegen das linke Vorderrad haben wirklich geholfen) und genießen einfach die Landschaft und Ruhe. Hier kann man sich richtig gut entspannen, auch, wenn der Ort das auf den ersten Blick nicht vermuten lässt und mit den europäisch erschlossenen Seeerholungsgebieten nicht vergleichbar ist. Uns hat es hier trotzdem richtig gut gefallen und wir sind froh, dieses Highlight durch einen Tag länger im Pamir statt im Norden reingeschoben zu haben.

Der Dorfshop
Kuhmist wird zum Heizen getrocknet
Der Brunnen

Beim Mittagessen treffen wir auf die indischen Touristen, die gerade ankommen als wir fertig sind. Unser Fahrer beschwert sich beim anderen Fahrer, dass er ihn über den Zustand der Straße falsch beraten hätte; der andere Fahrer meint, er konnte die ganze Nacht nicht schlafen, weil er sich Sorgen um uns gemacht hatte. Naja, ob das wohl stimmt. Sie erzählen, dass nun Schnee auf dem Pass liegt und der Fahrer zeigt an, dass der Schnee bis zum Knie reicht. Als er jedoch, auf Wunsch unseres Fahrers, ein Video davon zeigt, sehen wir, dass er etwas übertrieben hat, denn, die Straße war frei, und der Schnee kam auch erst nach dem Check-Point auf. Wir sind trotzdem froh schon am Vortag ohne Schnee an den steilen Hängen vorbeigefahren zu sein.

Wir sollen im Verlauf des Tages immer mal wieder auf die indische Gruppe treffen, meistens wird das eine Überholjagd zwischen den Fahrern, die sich gegenseitig etwas hochschaukeln, es bleibt aber eigentlich alles sehr freundlich. Am Abend ruft uns der Fahrer der anderen Gruppe sogar an und empfiehlt uns ein günstiges Hotel in Khorugh. Es ist wohl seine Art sich für den falschen Rat zu entschuldigen, oder, was eher meine Vermutung ist, er bekommt vielleicht doch auch etwas Geld oder vermittelt zumindest an einen Freund, da er selbst aus Khorugh stammt. Wie auch immer, das Hotel ist wirklich toll und, laut unserem Guide, auch gar nicht so viel teurer als ein Homestay. Am Ende will er mit dem Eigentümer einen Deal machen, dass Sie in der Zukunft immer hierher kommen. Wir finden das Hotel auch wirklich klasse und eine nette Abwechslung zu den doch sehr einfach gehaltenen Homestays, wenn auch die Dusche im Hotel wohl Luft führt und daher ab und zu gar kein Wasser mehr rauskommt, es sei denn man öffnet den Wasserhahn am Waschbecken um die Luft abzulassen. Die Unterkunft liegt auch vielmehr im Zentrum als der Homestay, in dem wir auf der Hinfahrt übernachtet haben. Unserem Guide war es dort aber zu kalt, deshalb hatten wir eh nach einer anderen Unterkunft für die Nacht Ausschau gehalten.

Auf dem Weg nach Khorugh sehen wir viele Murmeltiere. Am Vortag hatten wir diese schon gehört, aber noch nicht gesehen, und wir hatten schon ein bisschen Angst, dass uns der Fahrer und Guide nicht glauben, dass es sie gibt. Der Besitzer unsere Unterkunft hatte zwar auch gemeint, dass es hier unendlich viele gibt, aber lang haben wir sie nicht gesehen. Vielleicht auch wegen des schlechten Wetters am Vortag. Jetzt jedenfalls sehen wir massig davon und sie sind eher golden, sehen ganz anders aus als die bräunlichen Murmeltiere in den Alpen, die wir kennen. Unser Fahrer läuft sogar einem hinterher und treibt es in die Enge. Es muss sich unter einem Stein verstecken. Unser Fahrer verletzt sich dabei sogar an einem Stein und wir müssen ihn später noch verarzten. Wir machen eine Nahaufnahme von dem Murmeltierchen, fühlen uns aber auch irgendwie schlecht. Am Besten lässt man die Tiere doch in feier Wildbahn in Ruhe leben.

Am Abend gehen wir noch schnell etwas essen. Sie wollen mit uns wieder in das usbekische Café, aber da Julian sich nach dem letzten Besuch übergeben hatte, gehen wir in ein anderes Restaurant. Julian meint später, den Kellner wiederzuerkennen und fragt sich, ob die beiden Restaurants wohl zusammen gehören, aber unser Guide meint, es kann auch sein, dass er einfach mehrere Jobs hat. Wie auch immer, heute essen wir mal Mantij, das sind mit Hackfleisch gefüllte Teigtaschen. Das nimmt jeder von uns und sie schmecken wirklich sehr gut, wenn auch, wie immer, viel zu viel. Und so geht wieder ein eindrucksvoller Tag im Pamir zu Ende.