6. Juni: Wanderung zum Kuli-Kalon See

Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg nach Artuch, um dort zunächst zum Kulikalonsee und dann von dort über den Alaudinpass zu den Alaudinseen zu gehen. Am Vorabend merken wir, dass das ganz schön ambitioniert ist, denn dadurch, dass wir die Richtung unserer Reiseeroute geändert haben (statt von Duschanbe aus nach Norden sind wir von Khujand Richtung Duschanbe gefahren), sind aus den ca. 1000 Höhenmetern (Hm) nun 1700 Hm geworden. Ich erinnere mich, dass wir das Problem schon vorher mal entdeckt hatten, aber es war wohl zuviel los und es ist dann irgendwie unter den Tisch gefallen. Jetzt jedenfalls ist uns klar, dass das zu viel ist. Außerdem wird uns klar, dass wir nicht vor der Mittagszeit dort sein werden, d.h. selbst wenn wir es versucht hätten, wäre es für diese Wanderung einfach zu spät gewesen. Wir hätten gestern aus dem 7 Seen-Tal heraus und in Richtung Artuch fahren sollen, dann hätten wir früh aufstehen können und den Aufstieg zumindest probieren können. So aber haben wir keine Chance. Unser Guide meint, dass wir dort vielleicht einen Esel oder ein Pferd ausleihen könnten, um einen Teil des Weges (zum Beispiel bis zum See) zu reiten, aber am Ende ist es dort gar nicht so touristisch und wir beschließen, hauptsächlich wegen des späten Starts, dass wir nur bis zum Kulikalonsee wandern und dann wieder zurück ins Artuch Camp kommen. Das sind auch ca. 750 Hm und für den Nachmittag vollkommen angemessen. Ach, hätten wir das einfach mal früher bemerkt. Wir haben uns da vielleicht ein bisschen zu sehr auf unsere Reiseagentur verlassen, dass die das Programm rückwärts entsprechend anpassen. Das hätten wir noch einmal prüfen sollen. Am Ende entscheiden wir daher statt an den Alaudinseen im Artuch Camp zu zelten. Unser Fahrer scheint erleichtert, da er eigentlich auch nicht das richtige Auto für die Straße dorthin hat und sich wegen der hohen Kosten keinen Toyota Prado ausleihen wollte, den wir ja auch die meiste Zeit gar nicht benötigt hätten. Wir haben große Mühe allein zum Artuch Camp mit dem Auto des Guides zu gelangen. Es hat keinen Allradantrieb und bei den Kieselsteinen und dem Schutt, mit der Steigung zum Teil, rutschen wir ganz schön weg. Julian ist total nassgeschwitzt, da es schon wieder ganz gut hochgeht und, so wie bei den 7 Seen, keine Brüstung existiert. An einer Stelle hängen wir auch ganz schön, müssen es ein paar Mal probieren, fahren sogar ein Stück zurück und nehmen Anlauf mit. Unser Guide meint, dass die Straße zu den Alaudinseen noch schwieriger wäre. Ich bin mir nicht sicher, ob er es dann am Ende wirklich mit seinem Auto dorthin geschafft hätte. Er hätte sich schon etwas einfallen lassen, aber vielleicht wäre er mit einem anderen Auto am Ziel angekommen.

Gegen Mittag erreichen wir das Artuch Camp mit dem Auto und starten unsere Wanderung, von der wir gegen 19 Uhr zurück sind. Es ist toll einmal Zeit zu Zweit zu verbringen und die Wanderung ist wirklich traumhaft schön. Vom See bin ich am Ende etwas enttäuscht, denn er ist nicht voll gefüllt und die Bilder bei Google sehen viel schöner aus. Dennoch, es ist so still und schön dort oben, wenn man mal von den teilweise umherziehenen Schafsherden und Eseln absieht, die die Ruhe etwas stören. Auf der ganzen Wanderung begegnen wir, außer am See, keinem anderen Wanderer. Auf dem Rückweg beschließen wir sogar im Fluss an unserer ersten Raststelle zu baden. Das Wasser ist so richtig kalt. Man schafft es kaum eine Minute am Stück drin zu bleiben, aber es reicht um sich etwas zu erfrischen und zu waschen, denn wir vermuten, dass wir am Abend keine Möglichkeit mehr dazu haben werden. So ist es dann auch. Wir campen zwar, aber das scheint dort eher eine Ausnahme zu sein. Es gibt zwar eine Außentoilette, aber kein Licht und auch keinen Duschraum. Immerhin ist das Gras gut, aber unser Zelt scheint aufgebaut viel zu klein für uns. Es sieht aus als wäre es nur für Kinder und als wir uns hinlegen bestätigen sich unsere Befürchtungen, denn wir stoßen sowohl mit dem Kopf als auch mit den Füßen an – und wir sind eher kleinere Europäer. Auch die Schlafsäcke, die so wie das Zelt neu für den Trip gekauft wurden, sind viel zu dünn und es gibt keine Matratzen zum unterlegen. Wir sind froh, dass wir doch unsere eigenen Schlafsäcke mitgebracht haben, so können wir die Schlafsäcke der Agentur einfach als Matratzen unterlegen. Nicht ideal, aber das passt. Ausserdem bemerken wir, dass die Nacht echt kalt wird; so kalt, dass ich meinen Schlafsack sogar komplett schließe. Ich bin heilfroh, dass Julian doch noch Platz hatte und meinen Schlafsack mitgebracht hat, sonst hätte ich die ganze Nacht gefroren und sicher kein Auge zugetan.

Auf dem Weg von den 7 Seen nach Artuch fahren wir an einem Stand mit natürlichem Kühlschrank vorbei. Das Flusswasser wurde etwas umgeleitet und eine Vorrichtung gebaut, die über jede Flasche das kühle Wasser ablässt. Sieht ganz nett aus und ist echt praktisch.

Außerdem sehen wir auf dem Rückweg unserer Wanderung am Ende noch zwei kleine Jungs mit Eseln. Während einer schon auf dem Esel reitet, scheint der andere Schwierigkeiten zu haben auf den Esel zu steigen. Da der Junge noch recht klein ist, treibt er den Esel an eine Mauer und versucht von dort auf ihn aufzusteigen; der Esel aber will nicht recht und geht immer von der Mauer weg. Als wir das bemerken helfen wir dem Kleinen, drücken den störrischen Esel fest zu ihm, so, dass er es schafft aufzusteigen. Freudestrahlend sagt er dann zu uns „Rachmat“, was, wie wir von unserem Guide wissen, danke heißt. Vergnügt reiten die beiden davon und berichten wenig später ihren Freunden von dem Erlebnis.

5. Juni: Das Fangebirge und die 7 Seen

Heute geht es von Panjakent aus ins Fangebirge zu den 7 Seen. Einer Legende nach hatte ein Bauer aus Shing sieben Töchter, eine schöner als die andere. Ein Mann hatte von der Schönheit der Bauerntöchter gehört und machte sich auf nach Shing um um die Hand einer der Töchter anzuhalten. Der Vater der Bauerntöchter fand den Mann jedoch hässlich und grob, daher verweigerte er ihm die Hand einer seiner Töchter. Der Fremde war enttäuscht und entpuppte sich als Zauberer, der aus Frust die 7 Schönheiten in 7 Seen verwandelte: 1. Mijgon, 2. Soya, 3. Khusher, 4. Nofin, 5. Khurdak, 6. Marguzor und 7. Hazorchashma. Ich finde diese Geschichte schöner als zu sagen, dass die 7 Seen durch ein Erdbeben entstanden sind.

Wir fahren bis zum 6. See, Marguzor, und machen dann eine Wanderung von dort nach Hazorchashma. Mir geht es heute ganz gut, daher mache ich die Wanderung mit, und mit jeder Stunde, die vergeht habe ich das Gefühl es wird besser. Nach einer kleinen Pause mit leckeren Müsliriegeln aus Sonnenblumenkernen & Co. am Anfang des 7. Sees, wandern wir noch bis zu dessen Ende. Der Guide füllt für seine Lehrerin und sich selbst 2 Flaschen mit dem Wasser voll. Wir sitzen am Ufer und beobachten noch ein paar Bachstelzen und gelbe Vögelchen. Dabei sehen wir auch eine Frau, die alleine wandert und ziemlich flott unterwegs ist. Wir holen sie zwar zu Fuß nicht ein, sollen aber später mit dem Auto an ihr vorbeifahren. Es stellt sich heraus, dass sie Deutsche ist und im selben Gästehaus wohnt wie wir. Wir bieten ihr an, sie mitzunehmen, aber sie meint, sie hätte Zeit und könnte den restlichen Weg auch laufen. Leider sehen wir sie dann doch nicht mehr wieder. Das Gästehaus Najimiddin ist doch größer als man denkt und wir müssen überraschend nach Ankunft noch ein paar dringende Sachen zu Hause zu klären. Zum Glück haben wir mit Tcell Internet dort, unser Guide hat gar keinen Empfang, und sind nicht mehr Schwimmen gefahren.

Im Gästehaus lernen wir ein britisches Pärchen kennen, Carol und John, die schon in Rente sind und jetzt einen ihrer Urlaube in Zentralsasien machen. Wir verstehen uns gut mit ihnen und sollen sie auch noch einmal wiedertreffen. Wir sind froh, dass wir abends mal nach dem Frühstück gefragt werden, denn normalerweise könne wir nichts auswählen: es gibt immer nur 2 Spiegeleier und üblicherweise 1-2 Würstchen zum Frühstück. Das essen wir jetzt seit fast 2 Wochen und irgendwie kommt es uns langsam zum Hals raus. Früher am Tag sagte Julian mir noch, dass er keine Eier mehr sehen kann und dann, als wir heute mal Milchreis zum Frühstück am Tag darauf angeboten bekommen, entscheidet sich Julian doch wieder für die Spiegeleivariante mit Würstchen. Ich lache als ich das höre.

Obwohl es uns in dem Gästehaus ganz gut gefällt sind die elektrischen Installationen ein Graus oder, um es mit Julians Worten zu sagen, eine Vollkatastrophe. Irgendwann am Abend frage ich Julian was so komisch riecht und da bemerke ich, dass es der Stecker des Boilers ist, der die Steckdose fast komplett verschmort hat. Auch andere Steckdosen in jnserem Zimmer zeigen solche Spuren. Julian meint, er hätte so etwas Schlimmes nicht einmal auf Kuba gesehen und legt dem Guide, natürlich mit anderen Worten, ans Herz, es dem Vermieter zu sagen, denn es ist abzusehen, dass es in nächster Zeit auch mal brennen kann.

Unsere verschmorte Steckdose im Bad
Verschmorter Stecker des Wasserboilers im Bad

Die Natur im Norden Tadschikistans ist einfach schön. Wir sehen auf unseren Fahten viele Aprikosen-, Kirsch-, Walnuss-, Maulbeeren- und Apfelbäume. Oft naschen wir auf unseren Wanderungen etwas davon, wenn sie denn schon reif sind. Meistens sind das die Aprikosen, schwarzen oder weißen Maulbeeren und Sauerkirschen. Auch in unserem Gästehaus gibt es einige Obstbäume. Wir verstehen jetzt auch viel besser, warum die Tadschiken so stolz auf ihr heimisches Obst sind. Es schmeckt ja auch wirklich immer sehr gut.