Die Nacht im Homestay war aufregend. Zunächst muss Julian nachts auf Toilette, kriegt allerdings unsere Tür nicht mehr aufgeschlossen. Auch das Fenster mit Fliegennetz ist keine Alternative. Irgendwann wache ich vom Geruckel auf, probiere es 5 Sekunden und die Tür ist auf. Julian scheint mit den Schlössern hier auf Kriegsfuß zu stehen, wie wir auch in den folgenden Tagen immer wieder feststellen werden. Dann hören wir nachts plötzlich sehr lautes und aggressives Klopfen an der Eingangstür des Homestays. Mehrere Männer gehen festen Schrittes an unserem Fenster vorbei, und es wird sich sehr laut unterhalten. Leider verstehen wir nicht worum es geht, aber wir kriegen ehrlich gesagt etwas Angst – und jetzt ist unsere Zimmertür ja auch nicht mehr abgeschlossen. Was, wenn sie jetzt bei uns reinkommen? Sind das Gäste? Was ist los? Recht schnell beruhigt sich alles wieder, zum Glück, und wir schlafen ein.
Am Morgen fragen wir unseren Guide was nachts los war. Er erklärt, dass das die Polizei war, die checken wollte, dass wir auch in diesem Homestay waren. Wir dachten erst, dass es vielleicht mit meinem UN Pass zusammenhängt, den ich zusätzlich zum deutschen Pass vorzeigen musste, da sich nur in dem mein Einreisestempel und Visum befinden, aber es stellt sich heraus, dass der Homestay uns am Abend nicht registriert hatte. Dadurch, dass wir durch die Check Points fahren und unsere Genehmigung die Route vorgibt, wussten die Beamten, dass wir in Darvoz sind, allerdings wusste die dortige Polizei auf Nachfrage nichts von uns. Die lokale Polizei rief nachts also alle Hotels an, nur unsere Unterkunft konnten sie telefonisch nicht erreichen, also kamen sie persönlich vorbei. Der Guide erklärt, dass die Behörden Angst haben, dass ein terroristischer Anschlag verübt wird und deshalb genau kontrollieren wer sich wo befindet. Da es im Moment auch nicht so viele Touristen hier gibt (die Hauptreisezeit ist wohl Juli/August), ist unsere fehlende Registrierung auch sofort aufgefallen. Am nächsten Morgen registriert uns der Homestay dann noch nachträglich, wie mit der Polizei nachts vereinbart. Ich glaube, das passiert ihnen nicht noch einmal.
Um 5 Uhr morgens ist die Nacht dann zu Ende und wir verlassen den Homestay nach dem Frühstück noch vor 5:45 Uhr, um rechtzeitig eine Straße zu passieren, die ab 7:30 Uhr gesperrt sein wird. Zwar schaffen wir das, müssen aber feststellen, dass es mehrere solcher Stellen auf der Route gibt, weshalb wir 2 Zwangspausen einlegen müssen. Uns stört das aber gar nicht so sehr, denn die Straße ist wirklich schlecht und man wird im Auto wie ein Cocktail durchgeschüttelt. Mal auszusteigen und ein Stück zu gehen, sich auf dem Dorfplatz oder in einem Restaurant im Schatten auszuruhen, finden wir eigentlich ganz nett. Und so entstehen ein paar schöne Aufnahmen in unseren Pausen.
An einer Straßensperrung muss unser Fahrer mit dem Auto zwar warten, wir dürfen aber über die Baustelle, die der Straßenverbreiterung dient, laufen. In Deutschland wäre das nie erlaubt gewesen, hier aber kann man es einfach machen; die Arbeiter stoppen sogar kurz und winken einen noch freundlich durch. Irgendwann nimmt uns sogar ein Bauarbeiter ein Stück bis zum nächsten Shop mit. Später dann sind die Steine, die den Weg versperrten, weggeräumt und unser Fahrer darf schon früher die Baustelle passieren. Er gabelt uns auf und wir fahren zum nächsten Restaurant. Dort warten wir dann bis die nächste Straßensperrung aufgehoben wird. Währenddessen nehmen wir dort ein frühes und leichtes Mittagessen ein, freunden uns mit 3 niedlichen Welpen an und tollen mit ihnen herum. Der Restaurantbesitzer will gleich, dass wir einen mitnehmen, aber wir lehnen freundlich ab. Unserem Fahrer ist die Mittagspausenzeit zu früh und er isst nichts. Das bereut er später, denn die Straße wird noch schlechter und er muss sich wirklich konzentrieren um uns über Stunden hinweg gut durch diese Bedingungen zu fahren. Das macht er wirklich gut, aber irgendwann hat er echt Hunger…Bis zum Abend gab es aber ausser kleinerer Snacks nichts Richtiges mehr für ihn.
Der Tag endet spät für uns alle. Obwohl wir so früh los sind, brauchen wir, mit den Zwangspausen fast 15 Stunden bis Khorugh. Das Auto und der Fahrer leiden wegen der Straßenverhältnisse sichtlich. Am Abend ist die Stimmung daher schon etwas angespannt. Unser Fahrer hat, glauben wir, nicht wirklich gewusst, worauf er sich hier eingelassen hat. Den ganzen Tag hat er kaum etwas gegessen, dann finden wir unseren Homestay abends nicht gleich, kommen nur schwer in die Einfahrt und müssen dann noch mal los in die Stadt, da dort kein Abendessen angeboten wird. Tanken wird noch schnell zwischengeschoben, aber es muss eine Gazpromtankstelle sein, da der Fahrer dort eine Kundenkarte hat. Alles kostet Zeit und wir sind alle schon müde. Im ersten Restaurant gibt es kaum etwas, was uns schmeckt und unser Fahrer will Plov. Im zweiten gibt es nur Fast Food und als wir ankommen ist der Dönerspieß leer. Erst im dritten, dem usbekischen, finden wir dann etwas, was für uns alle Ok ist, wenn es auch am Ende doch kein Plov für unseren Fahrer wird. Erschöpft fallen wir am Ende alle ins Bett und erinnern uns an die wunderschöne Landschaft, die wir heute gesehen haben. Erstaunlicherweise haben wir fast nur Afghanistan fotografiert, denn die Straße führt auf der tadschikischen Seite entlang des Panjflusses. Dieser trennt Afghanistan und Tadschikistan voneinander. In der Vergangenheit kam es hier immer mal wieder zu Zwischenfällen. Beliebt ist die Region auch für Drogenschmuggel. Wir sehen auch zahlreiche Talibanflaggen auf der anderen Seite des Flusses. Immer wieder auch UN Zelte. Unser Guide erzählt uns, dass die wenigen Brücken, die es rüber nach Afghanistan gibt, vom Welternährungsprogramm genutzt werden, allerdings nicht von der Normalbevölkerung, da die Grenzen zwischen den beiden Ländern ansonsten geschlossen sind. Auch den Cross-Border-Market, der auf einer Brücke im Vorort Tem von Khorugh stattfand, gibt es deshalb schon seit längerem nicht mehr.