8. Juni: Varzobtal auf dem Rückweg nach Duschanbe

Die Stimmung am Morgen ist noch etwas angespannt, legt sich aber später. Am Vorabend wollte unser Guide unbedingt, dass ich entscheide, ob wir heute entweder eine leichte oder schwierige Taggestaltung absolvieren wollen. Ich meinte, dass ich dafür mehr Informationen bräuchte, u.a. ob leicht bedeutet, dass wir nicht, wie vorgesehen, zum Ghuzgharf-Wasserfall wandern, etc. Er wollte mir partout nicht mehr Informationen geben und hat dann irgendwann den Punkt verpasst nachzugeben. Ich habe ihm keine Antwort gegeben, auch, wenn er nicht aufgehört hat mich zu einer Entscheidung zu drängen. Es war eigentlich vollkommen sinnlos, aber irgendwie stand dieses Gespräch wieder einmal stellvertretend für die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau in der Gesellschaft. Ich muss sagen, dass ich mit der überhöhte Rolle des Mannes und der unterwürfigen Rolle der Frau im Islam so gar nicht klarkomme. Ich habe in den letzten Tagen so einige Sachen von unserem Guide gehört, die ich problematisch finde. Z.B. würde er seiner Frau nicht erlauben zu arbeiten, auch, wenn sie das wollen würde, seine Frau soll die Kinder großziehen, den Haushalt schmeißen und, wenn er Freunde einlädt, das Essen zubereiten. Gleichzeitig nennt er seine Frau arm und sich selbst reich, er erzählt, dass sie 6 Jahre jünger ist als er und, dass er ihr Vieles erst beigebracht hat. Obwohl unser Guide sich auch wirklich gut um seine Frau zu kümmern scheint, stört mich die Abhängigkeit seiner Frau von seinem guten Willen. Immer wieder während der Tour scheint er auch mich erziehen zu wollen. Einmal fragt er mich, warum ich, wenn er etwas erzählt, immer „Mmh“ sage und ich erkläre, dass das ein Laut der Zustimmung ist, um sich beim Bejahen nicht ständig zu wiederholen. Er antwortet darauf, dass seine kleine Tochter das auch immer machen würde und er ihr immer sagt, dass sie doch ja oder nein sagen soll und nicht mhm. Ein anderes Mal erklärt er mir, wie ich beim Wandern die Füße zu stellen habe, weil ich, so wie wir alle, auf den Kieselsteinen ab und zu wegrutsche. Bei Julian macht er das nie, obwohl auch er mmh sagt oder wegrutscht. Gleichzeitig kommen dann beim Wandern manchmal so Kommentare, dass ja auch seine Frau manchmal Recht hätte und gleiches sagt er dann auch zu Julian über mich, als wäre das eine Ausnahme. Überall habe ich das Gefühl, dass er denkt, der Mann wäre besser als die Frau, hätte mehr Rechte und, dass die Frau sich unterzuordnen hat und immer das zu machen hat, was der Mann sagt. Ihm nicht ohne weitere Infos auf seine Frage zu antworten, war für mich eine Art Rebellion. Ich komme mit diesem Rollenverständnis einfach nicht klar und je länger ich hier bin, um so mehr stört es mich.

Aber zurück zu unseren Abenteuern. Vom Iskanderkul fahren wir zunächst nach Safed Dara, dem einzigen Skiort Tadschikistans. Er liegt auf 2200 Metern und ist für unsere Verhältnisse doch eher klein, mit nur 2 oder 3 Liften. Auf der Fahrt dorthin fahren wir durch den Anzobtunnel und sind erstaunt, dass das Erlebnis noch angsteinflößender ist als die Fahrt durch den Sharistontunnel auf dem Weg von Khujand nach Panjakent vor ein paar Tagen. Der Sharistontunnel hatte auch kein Licht und es fehlten auch dort Markierungen auf der Fahrbahn und an der Seite. Man fühlt sich wie in einer dunklen Höhle. Zusätzlich herrscht im Anzobtunnel aber auch noch Nebel, der durch den aufgewirbelten Staub entsteht, das heißt, selbst mit Fernlicht sieht man nichts und schleiht durch den Tunnel. Unser Guide stellt auch die Lüftung aus, denn die Luftqualität im Tunnel ist entsprechend schlecht. Im Reiseführer habe ich sogar gelesen, dass im Tunnel schon Menschen zu Tode gekommen sind, wenn jemand eine Reifenpanne hatte und man weder zum einen, noch zum anderen Ende hinausfahren konnte. Es gibt nämlich kein Belüftungssystem, ausserdem scheint es an allen Enden zu tropfen und es bilden sich überall Pfützen. Es scheint als würde zumindest eine Seite des Tunnels im Moment renoviert werden. Ich hoffe, sie bauen dann  auch Lichter und eine Belüftungsanlage ein. Trotz der unübersichtlichen Situation im Tunnel, überholen immer mal wieder Autos. Es gibt nur eine Spur in jede Richtung.

Auf dem Weg nach Safed Dara sehen wir überall tadschikische Fahnen, und auf einem Plakat sind der tadschikische Präsident und der Emir von Katar abgebildet. Es stellt sich heraus, dass die beiden sich heute in einem kleinen Schloss etwas unterhalb von Safed Dara treffen. Wir dürfen, nach Rücksprache mit der Polizei, aber noch durchfahren, da wir rechtzeitig zurückkommen werden. Überall auf dem Weg zum Schloss sehen wir kräftig leuchtende tadschikische Fahnen aufgehängt, ausserdem wird schnell noch die Mittellinie auf der Straße nachgezogen und die Frauen im Dorf putzen die Straße entlang der Dörfer, die passiert werden. Es ist irgendwie witzig dieses Spektakel zu sehen und erinnert an sowjetische Zeiten. Julian fällt der Begriff „Potemkinsche Dörfer“ ein, der die Situation ganz gut beschreibt. Der Präsident ist aber auch ohne Besuch allgegenwärtig. An jeder Ecke hängen Fotos und Zitate von ihm. Das Ausmaß davon kann man sich als Europäer kaum vorstellen, an jedem öffentlichen Gebäuden, oft am Ortseingang, aber wir haben auch in und um vielen privaten Gebäuden seine Sprüche Bilder gesehen (z.B. als Leuchtschrift in einer Kantine in Duschanbe oder als schlecht gemachte Fotomontage beim Skifahrem im Artuch Camp). Man fragt sich schon irgendwie, was der Hintergrund ist und wer das sinnvoll oder notwendig findet.

Danach fahren wir zum Wasserfall. Der Guide fährt sogar näher ran, damit wir weniger Hm machen müssen. Auf den nur 3 Kilometern Wegstrecke machen wir am Ende fast 700 Hm, also fast soviel wie am Kuli-Kalon See. Das hatten wir irgendwie nicht erwartet und nur 1l Wasser mitgenommen. Unser Guide hat gar kein Wasser dabei, trinkt nur etwas aus dem Wasser am Wasserfall. Witzig ist, dass wir auf der Wandeung Ayat und seinen Vater treffen. Ayat wartet unten mit einem Mann, dem die Wanderung zu anstrengend ist und Ayats Vater treffen wir auf dem Weg nach oben als dieser mit einer ca. 70-jährigen Georgierin schon wieder auf dem Rückweg vom Wasserfall ist. Wir sind erstaunt, dass die Frau so fit ist. Ich unterhalte mich auch ganz gut mit ihr auf Russisch und nur ganz kurz mit Ayats Vater bevor wir weiterziehen. Endlich am Wasserfall angekommen, genießen wir die Zeit dort, essen etwas und baden. Bei der brütenden Hitze lässt es sich hier gut aushalten.

Maulbeeren

Am frühen Abend erreichen wir Duschanbe und erfahren im Hotel, dass wir uns hätten registrieren müssen. Das Hotel meint, wir müssten 20 EUR pro Person bezahlen plus 100 Dollar Strafe, wobei Julian das wohl nicht machen muss, nur ich, da ich länger als 10 Werktage in Tadschikistan bin. Die Aufregung ist groß und so rufe ich meine Kollegen vor Ort an, die uns am Folgetag helfen noch schnell vor dem Abflug die Registrierung zu machen. Der Hotelmitarbeiter meinte, ohne Registrierung könnten wir nicht ausreisen. Am Ende kostet es 25 USD pro Person und wir müssen keine Strafe zahlen. Wir sind erleichtert, dass uns geholfen wird und es an Ende auch keine Probleme bei der Ausreise gibt.

Nach dem Schock wegen der Registrierung gehen wir etwas essen. Wir haben mit dem Guide ausgemacht, dass er schon früher zu seiner Familie zurückkehren kann und wir zu zweit etwas essen gehen. Ich wollte mit Julian unbedingt in das Restaurant Foreli, in dem ich mit meinen Kollegen zwei Mal war und in dem der Fisch so lecker ist. Es liegt direkt am Fluss. Unser Guide setzt uns dort ab, nachdem wir uns schnell frisch gemacht haben. Obwohl wir nicht reserviert haben, ergattern wir einen Tisch draußen mit Blick auf die Duschanbinka. Ich manage das Bestellen des Essen auf Russisch, was ich nicht so mag, da man in diesem Kulturkreis immer tausend Sachen bestellt, d.h. einen Salat hier, einen Salat dort, Brot und Fisch zum Teilen, noch eine Beilage und Saft. Puh, geschafft. Es ist nicht die Sprache, die mich stresst, sondern das Zusammenstellen, aber zum Glück hilft Julian mit und am Ende ist es reichlich und super lecker. Julian schmeckt es und er mag es hier. Mir war es wichtig ihm auch mal diese Essensmöglichkeit zu zeigen. Wir haben in den letzten Wochen immer gut, aber doch recht einfach gegessen und die Qualität des Essens in diesem Restaurant ist schon viel besser und das, bei angenehmen Preisen.

7. Juni: Relaxen am Iskanderkul, dem See des Alexanders

Die Nacht im Zelt war Ok, wenn vielleicht etwas hart auf dem Boden und etwas laut wegen der teilweise kläffenden Hunde. Wie immer geht es recht früh raus aus den Federn: um 6:40 Uhr klingelt der Wecker, um 7 Uhr gibt es Frühstück (Standard 2 Eier und 2 Würste) und um 8 Uhr fahren wir los. Gegen Mittag kommen wir am Iskanderkul an, dem See der nach Alexander dem Großen bennant wurde. Der See liegt auf 2255 Meter Höhe, ist an der tiefsten Stelle 72 Meter tief und ca. 5 Kilometer lang. Es ist wirklich hübsch dort. Zunächst fahren wir ans andere Ende des Sees, um dort die 5 Quellen zu besichtigen. Diese befinden sich direkt neben dem Ferienhaus des Präsidenten und, wenn wir das Kabel richtig deuten, scheint dieser auch direkt Wasser von der Quelle zu beziehen. Da der Präsident gerade nicht da ist, ist die Straße geöffnet und so fahren wir direkt am See entlang. Die Quelle, ebenso wir das Seewasser, ist sehr kalt. Obwohl wir später noch kurz im See baden gehen sollen, halten wir es mit den Füßen in der Quelle nicht lange aus. Die scheint wohl noch kälter zu sein.

Im Artuch Camp
Unser Wachhund vorm Zelt

Nach einem Mittagessen direkt am See, in traumhafter Kulisse, wandern wir zum Wasserfall und Snake Lake. Die Wanderung zum Wasserfall ist länger als gedacht, aber sehr schön. An der Aussichtsplattform wird einem ganz bange, denn sie scheint nicht betoniert, sondern nur aufgelegt und mit großen Steinen beschwert worden zu sein. Außerdem kann man nach unten hindurch schauen. Entsprechend verkrampft wage ich mich anfangs gar nicht und später doch noch auf die überhängende Aussichtsplattform, um den Wasserfall zu begutachten. Unser Guide ist total verrückt. Er klettert auf Felsvorsprünge, macht zig Fotos von sich und erzählt uns später, dass es als Student immer sein Traum war, das mal zu machen, aber seine Lehrer es ihm verboten hätten. Ja, kein Wunder! Wir fragen eine andere Gruppe, genauer gesagt die zwei Engländer John and Carol, die wir vor 2 Tagen im Najimiddin Gästehaus kennengelernt haben, scherzhaft (oder auch nicht), ob wir mit ihnen mitfahren können, falls unser Guide seine waghalsige Kletteraktion nicht überlebt und abstürzt. Sie sagen lachend ja. Am Ende kommt unser Guide heile zurück, aber ohne seine Sonnenbrille, denn die ist ihm auf dem Felsvorsprung abhanden gekommen. Er meinte, er hätte sie noch fangen können, wollte aber kein Risiko eingehen. Hahaha.

Aussichtsplattform
Selfie mit unserem Guide auf dem Felsen im Hintergrund

Der Iskanderkul ist wirklich wunderschön. Wir schaffen es hier richtig einmal Tempo rauszunehmen, schlendern gemütlich durch die Anlage des Campingplatzes, schaukeln mehrmals auf einer der Hollywoodschaukeln, gehen kurz baden, spazieren dann zum Shop, kaufen dort ein Eis und genießen einfach die Schönheit der Natur und die Ruhe. Einmal wird diese kurz unterbrochen, da ein anderer Guide hektisch umherläuft und, wie sich herausstellt, Leute fragt, ob sie eine Kameratasche verloren hätten. Wir sind so ziemlich die letzten, die er fragt, und es stellt sich heraus, dass es meine Kameratasche ist. Wir haben ihr Fehlen noch gar nicht bemerkt, obwohl wir sie schon vor Stunden verloren hatten, irgendwo auf dem Rückweg vom Wasserfall. Zum Glück haben wir sie jetzt wieder. Es ist echt nett zu sehen, wie die Leute einem hier immer helfen und überall rumfragen, um etwas zurückzugeben.

Wir freunden uns auf unseren Streifzügen durchs Camp auch mit ein paar Leuten vor Ort an, die uns am Ende drei Mal zu ihrer Party mit gegrillter Ziege (oder so) einladen. Julian ist fast etwas neidisch, dass ich schon wieder eingeladen werde, aber die Erklärung ist einfach: ich spreche halt Russisch, kann mich mit den Leuten unterhalten und daher schneller integrieren. Am Ende gehen wir aber nicht auf die Party, denn unser Guide will sich der Gruppe zum Essen nicht anschließen, da die Leute massig Alkohol dabei haben. Wir haben schon ein paar Mal erlebt, dass er das nicht gutheißt. Ehrlich gesagt, finden wir es super angenehm, dass hier so wenig Alkohol getrunken wird. Die meisten meiner Kollegen und bisher auch alle unsere Guides und Fahrer trinken gar keinen Alkohol. Man selbst wird daher auch nicht dazu gedrängt und es kommt nicht zu unangenehmen Situationen. Das ist eine der Sachen, die ich in Tadschikistan wirklich sehr angenehm finde.

Eigentlich sollen wir heute noch eine zweite Nacht campen, aber der Boden in der Bungalowsiedlung ist überall ziemlich hart, mit vielen Kieselsteinen und keinem weichem Gras. Ohne Isomatte wird das kein Spaß, daher beschließen wir ein Zimmer für die Nacht zu mieten. Unser Guide handelt den Preis von 50 USD auf 35 USD herunter, was für uns Ok ist. Die Übernachtung im Bungalow hat auch den Vorteil, dass wir unsere Sachen für den Rückflug trocknen und schon ganz gut packen können. In den letzten Tagen hatten wir ziemlich viele Sachen im Auto herausgezottelt und nun können wir diese wieder ordentlich verstauen.

Marco-Polo-Schaf im Restaurant am See

Am Abend lüfte ich auch endlich das Geheimnis der Badelatschen im Bad. In zahlreichen Unterkünften hatten wir immer wieder nur ein einziges Paar Badelatschen im Bad stehen sehen und ich habe mich immer gefragt, was das soll. Jetzt endlich wird es mir klar: Da die Bäder oft keinen Duschvorhang hatten oder so designt sind, dass man beim Duschen alles nassspritzt, sind die Badelatsche dafür da nach dem Duschen trockenen Fußes auf die Toilette oder zum Waschbecken zu gehen. Dass ich da nicht schon vorher drauf gekommen bin!

6. Juni: Wanderung zum Kuli-Kalon See

Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg nach Artuch, um dort zunächst zum Kulikalonsee und dann von dort über den Alaudinpass zu den Alaudinseen zu gehen. Am Vorabend merken wir, dass das ganz schön ambitioniert ist, denn dadurch, dass wir die Richtung unserer Reiseeroute geändert haben (statt von Duschanbe aus nach Norden sind wir von Khujand Richtung Duschanbe gefahren), sind aus den ca. 1000 Höhenmetern (Hm) nun 1700 Hm geworden. Ich erinnere mich, dass wir das Problem schon vorher mal entdeckt hatten, aber es war wohl zuviel los und es ist dann irgendwie unter den Tisch gefallen. Jetzt jedenfalls ist uns klar, dass das zu viel ist. Außerdem wird uns klar, dass wir nicht vor der Mittagszeit dort sein werden, d.h. selbst wenn wir es versucht hätten, wäre es für diese Wanderung einfach zu spät gewesen. Wir hätten gestern aus dem 7 Seen-Tal heraus und in Richtung Artuch fahren sollen, dann hätten wir früh aufstehen können und den Aufstieg zumindest probieren können. So aber haben wir keine Chance. Unser Guide meint, dass wir dort vielleicht einen Esel oder ein Pferd ausleihen könnten, um einen Teil des Weges (zum Beispiel bis zum See) zu reiten, aber am Ende ist es dort gar nicht so touristisch und wir beschließen, hauptsächlich wegen des späten Starts, dass wir nur bis zum Kulikalonsee wandern und dann wieder zurück ins Artuch Camp kommen. Das sind auch ca. 750 Hm und für den Nachmittag vollkommen angemessen. Ach, hätten wir das einfach mal früher bemerkt. Wir haben uns da vielleicht ein bisschen zu sehr auf unsere Reiseagentur verlassen, dass die das Programm rückwärts entsprechend anpassen. Das hätten wir noch einmal prüfen sollen. Am Ende entscheiden wir daher statt an den Alaudinseen im Artuch Camp zu zelten. Unser Fahrer scheint erleichtert, da er eigentlich auch nicht das richtige Auto für die Straße dorthin hat und sich wegen der hohen Kosten keinen Toyota Prado ausleihen wollte, den wir ja auch die meiste Zeit gar nicht benötigt hätten. Wir haben große Mühe allein zum Artuch Camp mit dem Auto des Guides zu gelangen. Es hat keinen Allradantrieb und bei den Kieselsteinen und dem Schutt, mit der Steigung zum Teil, rutschen wir ganz schön weg. Julian ist total nassgeschwitzt, da es schon wieder ganz gut hochgeht und, so wie bei den 7 Seen, keine Brüstung existiert. An einer Stelle hängen wir auch ganz schön, müssen es ein paar Mal probieren, fahren sogar ein Stück zurück und nehmen Anlauf mit. Unser Guide meint, dass die Straße zu den Alaudinseen noch schwieriger wäre. Ich bin mir nicht sicher, ob er es dann am Ende wirklich mit seinem Auto dorthin geschafft hätte. Er hätte sich schon etwas einfallen lassen, aber vielleicht wäre er mit einem anderen Auto am Ziel angekommen.

Gegen Mittag erreichen wir das Artuch Camp mit dem Auto und starten unsere Wanderung, von der wir gegen 19 Uhr zurück sind. Es ist toll einmal Zeit zu Zweit zu verbringen und die Wanderung ist wirklich traumhaft schön. Vom See bin ich am Ende etwas enttäuscht, denn er ist nicht voll gefüllt und die Bilder bei Google sehen viel schöner aus. Dennoch, es ist so still und schön dort oben, wenn man mal von den teilweise umherziehenen Schafsherden und Eseln absieht, die die Ruhe etwas stören. Auf der ganzen Wanderung begegnen wir, außer am See, keinem anderen Wanderer. Auf dem Rückweg beschließen wir sogar im Fluss an unserer ersten Raststelle zu baden. Das Wasser ist so richtig kalt. Man schafft es kaum eine Minute am Stück drin zu bleiben, aber es reicht um sich etwas zu erfrischen und zu waschen, denn wir vermuten, dass wir am Abend keine Möglichkeit mehr dazu haben werden. So ist es dann auch. Wir campen zwar, aber das scheint dort eher eine Ausnahme zu sein. Es gibt zwar eine Außentoilette, aber kein Licht und auch keinen Duschraum. Immerhin ist das Gras gut, aber unser Zelt scheint aufgebaut viel zu klein für uns. Es sieht aus als wäre es nur für Kinder und als wir uns hinlegen bestätigen sich unsere Befürchtungen, denn wir stoßen sowohl mit dem Kopf als auch mit den Füßen an – und wir sind eher kleinere Europäer. Auch die Schlafsäcke, die so wie das Zelt neu für den Trip gekauft wurden, sind viel zu dünn und es gibt keine Matratzen zum unterlegen. Wir sind froh, dass wir doch unsere eigenen Schlafsäcke mitgebracht haben, so können wir die Schlafsäcke der Agentur einfach als Matratzen unterlegen. Nicht ideal, aber das passt. Ausserdem bemerken wir, dass die Nacht echt kalt wird; so kalt, dass ich meinen Schlafsack sogar komplett schließe. Ich bin heilfroh, dass Julian doch noch Platz hatte und meinen Schlafsack mitgebracht hat, sonst hätte ich die ganze Nacht gefroren und sicher kein Auge zugetan.

Auf dem Weg von den 7 Seen nach Artuch fahren wir an einem Stand mit natürlichem Kühlschrank vorbei. Das Flusswasser wurde etwas umgeleitet und eine Vorrichtung gebaut, die über jede Flasche das kühle Wasser ablässt. Sieht ganz nett aus und ist echt praktisch.

Außerdem sehen wir auf dem Rückweg unserer Wanderung am Ende noch zwei kleine Jungs mit Eseln. Während einer schon auf dem Esel reitet, scheint der andere Schwierigkeiten zu haben auf den Esel zu steigen. Da der Junge noch recht klein ist, treibt er den Esel an eine Mauer und versucht von dort auf ihn aufzusteigen; der Esel aber will nicht recht und geht immer von der Mauer weg. Als wir das bemerken helfen wir dem Kleinen, drücken den störrischen Esel fest zu ihm, so, dass er es schafft aufzusteigen. Freudestrahlend sagt er dann zu uns „Rachmat“, was, wie wir von unserem Guide wissen, danke heißt. Vergnügt reiten die beiden davon und berichten wenig später ihren Freunden von dem Erlebnis.

5. Juni: Das Fangebirge und die 7 Seen

Heute geht es von Panjakent aus ins Fangebirge zu den 7 Seen. Einer Legende nach hatte ein Bauer aus Shing sieben Töchter, eine schöner als die andere. Ein Mann hatte von der Schönheit der Bauerntöchter gehört und machte sich auf nach Shing um um die Hand einer der Töchter anzuhalten. Der Vater der Bauerntöchter fand den Mann jedoch hässlich und grob, daher verweigerte er ihm die Hand einer seiner Töchter. Der Fremde war enttäuscht und entpuppte sich als Zauberer, der aus Frust die 7 Schönheiten in 7 Seen verwandelte: 1. Mijgon, 2. Soya, 3. Khusher, 4. Nofin, 5. Khurdak, 6. Marguzor und 7. Hazorchashma. Ich finde diese Geschichte schöner als zu sagen, dass die 7 Seen durch ein Erdbeben entstanden sind.

Wir fahren bis zum 6. See, Marguzor, und machen dann eine Wanderung von dort nach Hazorchashma. Mir geht es heute ganz gut, daher mache ich die Wanderung mit, und mit jeder Stunde, die vergeht habe ich das Gefühl es wird besser. Nach einer kleinen Pause mit leckeren Müsliriegeln aus Sonnenblumenkernen & Co. am Anfang des 7. Sees, wandern wir noch bis zu dessen Ende. Der Guide füllt für seine Lehrerin und sich selbst 2 Flaschen mit dem Wasser voll. Wir sitzen am Ufer und beobachten noch ein paar Bachstelzen und gelbe Vögelchen. Dabei sehen wir auch eine Frau, die alleine wandert und ziemlich flott unterwegs ist. Wir holen sie zwar zu Fuß nicht ein, sollen aber später mit dem Auto an ihr vorbeifahren. Es stellt sich heraus, dass sie Deutsche ist und im selben Gästehaus wohnt wie wir. Wir bieten ihr an, sie mitzunehmen, aber sie meint, sie hätte Zeit und könnte den restlichen Weg auch laufen. Leider sehen wir sie dann doch nicht mehr wieder. Das Gästehaus Najimiddin ist doch größer als man denkt und wir müssen überraschend nach Ankunft noch ein paar dringende Sachen zu Hause zu klären. Zum Glück haben wir mit Tcell Internet dort, unser Guide hat gar keinen Empfang, und sind nicht mehr Schwimmen gefahren.

Im Gästehaus lernen wir ein britisches Pärchen kennen, Carol und John, die schon in Rente sind und jetzt einen ihrer Urlaube in Zentralsasien machen. Wir verstehen uns gut mit ihnen und sollen sie auch noch einmal wiedertreffen. Wir sind froh, dass wir abends mal nach dem Frühstück gefragt werden, denn normalerweise könne wir nichts auswählen: es gibt immer nur 2 Spiegeleier und üblicherweise 1-2 Würstchen zum Frühstück. Das essen wir jetzt seit fast 2 Wochen und irgendwie kommt es uns langsam zum Hals raus. Früher am Tag sagte Julian mir noch, dass er keine Eier mehr sehen kann und dann, als wir heute mal Milchreis zum Frühstück am Tag darauf angeboten bekommen, entscheidet sich Julian doch wieder für die Spiegeleivariante mit Würstchen. Ich lache als ich das höre.

Obwohl es uns in dem Gästehaus ganz gut gefällt sind die elektrischen Installationen ein Graus oder, um es mit Julians Worten zu sagen, eine Vollkatastrophe. Irgendwann am Abend frage ich Julian was so komisch riecht und da bemerke ich, dass es der Stecker des Boilers ist, der die Steckdose fast komplett verschmort hat. Auch andere Steckdosen in jnserem Zimmer zeigen solche Spuren. Julian meint, er hätte so etwas Schlimmes nicht einmal auf Kuba gesehen und legt dem Guide, natürlich mit anderen Worten, ans Herz, es dem Vermieter zu sagen, denn es ist abzusehen, dass es in nächster Zeit auch mal brennen kann.

Unsere verschmorte Steckdose im Bad
Verschmorter Stecker des Wasserboilers im Bad

Die Natur im Norden Tadschikistans ist einfach schön. Wir sehen auf unseren Fahten viele Aprikosen-, Kirsch-, Walnuss-, Maulbeeren- und Apfelbäume. Oft naschen wir auf unseren Wanderungen etwas davon, wenn sie denn schon reif sind. Meistens sind das die Aprikosen, schwarzen oder weißen Maulbeeren und Sauerkirschen. Auch in unserem Gästehaus gibt es einige Obstbäume. Wir verstehen jetzt auch viel besser, warum die Tadschiken so stolz auf ihr heimisches Obst sind. Es schmeckt ja auch wirklich immer sehr gut.

4. Juni: Ab nach Panjakent und zu den Ausgrabungen von Sarazm

Heute fahren wir nach Panjakent, einer Stadt mir nur ca. 42000 Einwohnern. Auf dem Weg dahin besorgen wir ein stärkeres Durchfallmittel, was allerdings erst abends richtig zu wirken beginnt. Entsprechend oft halten wir auf dem Weg nach Panjakent:-) Die Stadtbesichtigung in Istarafshan lassen wir ausfallen, kaufen dort nur etwas Wasser und gehen auf die Toilette. Unser Guide meint, dass Panjakent schöner wäre und wir lieber dort Zeit verbringen sollten. Kein Problem für uns. Die Stadt ist auch echt klein. Und die Fahrt nah Panjakent, durch das Aynital, ist auch sehr schön. Im Reiseführer steht, dass der Norden im Vergleich zum Rest des Landes relativ flach ist. Ja, das stimmt, aber die Berge hier sind auch nicht klein.

Während ich auf der Fahrt viel schlafe, unterhält sich Julian blendend mit unserem Guide. Sie reden über sein Autobusiness (er importiert wohl ältere Autos aus Schweden, repariert sie und verkauft diese dann mit Gewinn in Tadschikistan), wie Sachen in Tadschikistan laufen (politisch, militärisch, usw.), über geologische Zusammenhänge, als was der Guide in Schweden gearbeitet hat, etc. Es ist sehr interessant, wenn wir auch den Eindruck haben, dass nicht alles davon vollkommen legal ist. Es scheint als wäre er nicht der Einzige, der die Lücken des Sytems ausnutzt.

In Panjakent angekommen suchen wir nach einer Essensmöglichkeit. Wie üblich, fragt sich unser Guide durch. Das scheint in Tadschikistan (und anderen post-sowietischen Ländern) so zu funktionieren und man erkennt an, dass die Ortsansässigen, die Stadt einfach am Besten kennen – sei es um nach den Weg zu fragen, nach Empfehlungen für Restaurants,  Sehenswürdigkeiten oder, wie in der Pamirregion,  nach der Sicherheitslage. Unsere Hilfe mit den Offlinekarten von Mapsme wird zwar manchmal angenommen, vor allem als wir im Pamir mit schlechtem Empfang unterwegs waren, aber ohne eine Bestätigung des Weges von einem Ortsansässigen geht die Fahrt nicht weiter. Nun ja, zurück zu unserem Mittagessen. Zunächst wird uns das Restaurant Nigina empfohlen (das so heißt wie die Sängerin vom Vorabend), allerdings ist es dann geschlossen. Ein weiterer Ortsansässiger empfiehlt uns alternativ zum Restaurant am See zu fahren. Gesagt, getan. Das Restaurant ist wirklich nett: es gibt frei umher laufende Pfauen, viele Tauben und auch ein Steinhuhn, das allerdings im Käfig gehalten wird. Laut Google finden manche Leute den Gesang so schön, weshalb sie es so halten, aber ich finde es klingt nur wie ein gackerndes Huhn im Käfig. Wie auch immer, es gefällt uns hier so gut, dass wir zum Abendessen wieder zurück kommen sollen. Dann kriegt Julian auch doch noch seinen Kebabspieß, der jetzt leider mindestens eine Stunde gedauert hätte, was uns zu lang dauerte.

Nach dem Mittagessen geht es aber erst einmal zu den Ausgrabungen von Sarazm, die 2010 ins UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen wurden, wohl dem einzigen in Tadschikistan. Die Siedlung wurde 1976 zufällig von einem Dorfbewohner entdeckt und ist wohl eine der ältesten Städte Asiens. Mittlerweile sind die Ausgrabungen überdacht, aber wohl nicht seit Anfang an, was man leider an deren Verfall sehen kann. Viele der Fotos vom Fund zeigen, dass die Ausgrabungsstätte deutlich besser erhalten ware als sie entdeckt wurde. Obwohl ich kräftemäßig ganz schön zu kämpfen habe, ist es sehr interessant die Ausgrabungen und das dortige Museum, das mittlerweile die originale Prinzessin beherbergt, zu besuchen, trotz der knallenden Hitze. Gemessen an der Bedeutung, ist es aber auch schade zu sehen, dass so wenige Touristen hierher kommen. Es gibt Parkplätze für nur 5-6 Autos, die Guides, die früher hier Führungen gegeben haben, existieren nicht mehr, und auch sonst scheint fast nichts los zu sein. Unser Guide meint, dass es die meisten Leute von Dushanbe gar nicht bis hierhin schaffen und eher lokale Leute sich die Ausgrabungen anschauen.

Unser Hotel heute ist einsame Spitze. Richtig edel, mit einem Obstteller im Zimmer und echt gutem Wasserdruck. Mir ist es wichtig sich ab und zu doch mal richtig wohl zu fühlen. Heute ist das definitiv der Fall. Zum Abendessen kehren wir wieder in das Restaurant am See ein. Wir haben auch den selben Kellner. Er sieht sehr jung aus und am Ende des Abends unterhalten wir uns, mithilfe des Guides etwas mit ihm. Er erzählt, dass er im Dorf wohnt, 16 Jahre alt ist und schon seit 6 Jahren in diesem Restaurant arbeitet, immer nach der Schule. Sein Kumpel, auch Kellner in dem Restaurant, ist 15 Jahre alt. Wir haben schon immer wieder mal Kinder in Restaurants gesehen, dachten aber naiverweise, dass diese zu den Besitzern gehören. Unser Guide meint, dass Kinder eigentlich auch in Tadschikistan nicht arbeiten dürfen, aber manchmal halt doch, um die Familie zu unterstützen. Der Staat kontrolliert nicht ausreichend genug, vermutlich auch nicht ganz unabsichtlich.

Nach dem Abendessen setzt uns der Guide am Hotel ab und wir gehen spontan im darunterliegenden Supermarkt noch etwas einkaufen. Ich suche Kontaktlinsenflüssigkeit, aber die gibt es wohl nur in Khujand oder Duschanbe. Ich muss also mit dem Rest haushalten. Julian möchte noch ein Eis, also beschließen wir, während er es isst, noch kurz im Rudakipark gegenüber vom Hotel zu schlendern. Irgendwie scheinen wir aufzufallen, denn alle im Park schauen uns nach. Zwei Kinder begrüßen uns mit einem „Hello“ und „What’s your name?“, schwirren dann immer in unserer Nähe umher und fragen am Ende noch nach einem Selfie. Das befindet sich jetzt auf Ihrem Telefon.

Im Park gegenüber unseres Hotels

3. Juni: Khujand und das Tadschikische Meer

Heute geht es auf Besichtigungstour durch Khujand, der mit ca. 400.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Tadschikistans. Wir haben einen neuen Guide, der gleichzeitig auch unser Fahrer ist. Es wäre für Ayat und Ismail nicht schaffbar gewesen, rechtzeitig in Khujand zu sein, da die Fahrt von Duschanbe ca. 6 Stunden in Anspruch nimmt. Wir sind dagegen gestern in nur 45 Minuten von Duschanbe nach Khujand geflogen. Das Terminal in Duschanbe war echt klein, es gab nur einen kleinen Shop und der Duty Free-Laden, den es wohl früher mal gab, war komplett leer. Der Flug war so kurz, dass Julian es kaum geschafft hat den kleinen ausgeschenkten Becher Wasser rechtzeitig auszutrinken. Am Flughafen in Khujand holt uns unser Guide ab. Er erkennt uns gleich an einem Foto, das ihm Ayat wohl geschickt hat, fährt uns ins Hostel und wir gehen noch gemeinsam etwas essen.

Unser neuer Guide führt uns heute Morgen zunächst durch die Stadt. Es geht zur Mechet im. Sheykha Muslikhiddina-Moschee, vor der sich echt viele Tauben tummeln, und dann auf den daneben befindlichen Panjabebasar, auf dem wir etwas lokales Obst und Gemüse kaufen. Auch unser Guide ist gut dabei, er kauft einen Hut, da er seinen wohl vergessen hat, und Kreuzkümmelöl, das wir beide so bei uns noch nie gesehen haben. Er nimmt jeden Morgen einen Löffel davon, was wohl sehr gesund sein soll. Das kann ich mir gut vorstellen. Er lässt sich beim Kauf nicht übers Ohr hauen und will für die fast 12 Euro eine vor ihm abgefüllte Flasche Kreuzkümmelöl, statt der dort vorgefüllten. Julian kann das gut nachvollziehen und scheint sich direkt prächtig mit dem Guide zu verstehen. Danach fahren wir zur Zitadelle und dem angeschlossenen Zentralpark, von dem aus auch eine Seilbahn über den grenzüberschreitenden Fluss Syr Darya verläuft. Ich wollte den Fluss unbedingt sehen, da wir vor kurzem, zusammen mit Kasachstan, Kirgistan, Tajikistan und Usbekistan, ein Projekt dazu implementiert hatten. Wir entscheiden uns bis ans Ufer des Flusses zu laufen und, sollte die Zeit es am Abend erlauben, eventuell zurückzukehren um mit der Seilbahn zu fahren. Danach geht es noch zum Arbobpalast, der ein bisschen weiter weg ist. Er stammt wohl aus der Blütezeit des Sozialismus und wurde 1956 fertiggestellt. Der Palast ist wirklich sehr schön und wir spazieren im Park herum, in dem wir endlich auch das so seltene Marco-Polo-Schaf sehen, wenn auch nur als kunstvoll zugeschnittenen Baum bzw. Kunstrasen;-) Beim Schlendern bemerken wir, dass am selben Abend ein Konzert von Megafon, einem Mobilfunkanbieter, zum 20-jährigen Jubiläum in Tadschikistan in dem Amphitheater des Parks stattfinden wird. Große tadschikische Stars werden kommen, u.a Nigina, und als unser Guide fragt, ob wir uns das ansehen wollen, sagen wir kurzerhand ja. Wir sind froh, dass unser Guide heute etwas auftaut. Am Vorabend beim Abendessen wirkte alles etwas steif und wir haben nicht so richtig viel geredet, aber heute ist das anders. Irgendwie hatten wir das auch gleich so im Gefühl. Wir waren wohl alle noch etwas müde am Vorabend, denn jetzt klappt es ganz gut. Unser Guide weiß viel und wir werden in den kommenden Tagen auch noch zig Sachen von ihm erfahren.

Büsten bekannter Khujander am Ufer des Syr Darya
Marco-Polo-Schaf

Nach der Stadtbesichtigung fahren wir zum Tadschikischen Meer und baden darin. Eigentlich ist das Meer ein See und durch die Errichtung des Staudamms Qayroqqum entstanden, aber die Tadschiken bezeichnen den Stausee als Meer und sind gekränkt, wenn man von einem See spricht. Das wollen wir natürlich nicht, also machen wir es ihnen gleich. Unser Guide führt uns zu einem abgelegenen Ort zum Baden. Die Straße dorthin ist zwar bei Google, nicht aber bei Mapsme eingezeichnet. Das wundert mich, da normalerweise Mapsme immer besser ist. Es sind nur ein paar lokale Jungs vor Ort und ein Haus steht dort, wo wir baden. Es ist echt schön sich bei der Hitze abzukühlen. In Khujand ist es wirklich sehr heiß und wir schwitzen ganz schön, kein Vergleich zur Pamirregion.

Nach dem Baden machen wir einen kleinen Lunchstopp. Ich esse nicht viel, obwohl die Gulaschsuppe echt lecker ist. Irgendwie habe ich seit gestern Durchfall. Ich glaube nicht, dass ich irgendetwas Falsches gegessen habe, vielmehr habe ich das Gefühl, dass das tadschikische Essen doch sehr fettig ist und immer sehr deftig und, dass sich mein Magen jetzt querstellt. Zum Glück fahren wir noch einmal ins Hostel vor dem Konzert, so dass ich mich ausruhen kann. Das Konzent am Abend ist dann sehr schön. Zum Glück würden die Ansagen sowohl auf Tadschikisch als auch auf Russisch gemacht, so konnte ich Julian übersetzen was gesagt wurde. Es entstehen ein paar netter Bilder und Videos bevor wir kurz vor dem Ende zurück zum Hostel fahren. Wir essen wieder in der selben Kantine wie am Vorabend, gegenüber vom Hostel. Die Bedienung erinnert sich an uns und meint, dass sie heute Plov hätten (gestern kamen wir wohl zu spät) und so essen wir das. Ich nehme nur eine Miniportion Nudeln mit Soße und esse etwas Salat. Ich muss meinen Magen schonen. Die Tabletten, die wir in der Apotheke gegen den Durchfall besorgt haben, scheinen nicht zu wirken. Als ich danach google, merke ich, dass das ein probiotisches Produkt ist. Am nächsten Morgen kaufen wir Immodium, was hoffentlich besser wirkt.

1.-2. Juni: Bye, bye Pamir und auf in den Norden Tadschikistans

Man braucht 2 Tage, um in den Pamir zu gelangen. Die indische Reisegruppe macht den Rückweg zwar an einem Tag, aber das ist eher ungewöhnlich und bedeutet mindestens 14 Stunden Fahrt. Besonders auf der ersten Etappe von Khorugh nach Kalaikum ist die Straße sehr schwierig, danach, von Kalaikum nach Duschanbe, geht es dann viel besser. Es ist interessant wie sich die Wahrnehmung verändert. Auf dem Hinweg habe ich die Strecke zwischen Kalaikum und Khorugh noch als Höllenritt bezeichnet, jetzt denke ich, sie ist gar nicht so schlimm. Wir sind offensichtlich später viel schlimmere Straßen gefahren, sonst würde es uns jetzt nicht so vorkommen.

Am 1. Juni fahren wir um 6 Uhr morgens von Khorugh los. Es gab am Vorabend eine kleine Diskussion mit dem Fahrer, der meinte, er würde es bis zur Straßensperre in 4 Stunden schaffen und deshalb erst um 7 Uhr loswollte. Der Guide und wir hatten etwas Bedenken, da wir auf dem Hinweg den ganzen Tag unterwegs waren, und wollten daher eigentlich um 5 Uhr los, um rechtzeitig zur Öffnung der Straße da zu sein. Am Ende schließen wir einen Kompromiss, fahren um 6 Uhr los, müssen dann aber noch eine Stunde an einer Straßensperrung warten, die allerdings früher als erwartet kam. Naja, unser Fahrer hatte wohl doch eher recht, wahrscheinlich, weil auch er nun mehr Erfahrung gesammelt hatte und auch deutlich schneller unterwegs war. Obwohl er auch ganz schön leidet. Als wir an der Straßensperrung halten müssen fragt er mich, warum er so rote Augen hat, und ich gebe ihm meine Augentropfen zur Linderung. Ich zeige ihm, wie man sie benutzt, aber natürlich schafft er es nicht sie sich alleine reinzumachen. Das werde ich in der Wartezeit ein paar Mal für ihn machen. Ich erkläre ihm dann, dass es auch an der starken Sonne liegen kann und er meint, dass er keine Sonnenbrille hat. Ich glaube es war hier, wo er mir sagt, dass er einfach nicht für die Berge gemacht ist. Wir lachen beide.

Irgendwann auf der Strecke ruft mich der tadschikische Arbeitskollege vom Workshop an. Er erkundigt sich freundlich, ob alles in Ordnung ist, bietet noch einmal seine Hilfe an, falls ich irgendetwas brauchen sollte, und schickt mir am Ende sogar noch den Kontakt eines Kollegens im Pamir. Dieser ruft mich am Folgetag sogar an, fragt nach, ob er mir irgendwie helfen kann, und wirkt fast etwas enttäuscht als ich ihm sage, dass wir schon wieder auf dem Rückweg sind. Ach, es ist echt nett zu sehen, dass sich alle so um einen sorgen. Ich berichte dem Kollegen auch, dass wir das Obst schon fast komplett aufgegessen haben und schicke ihm noch ein paar Fotos aus der Region per WhatsApp.

Da wir alle Straßensperrungen mittags durchfahren mussten, was ca. 90 Minuten gedauert hat, können wir erst danach eine Mittagspause machen. Erst 15 Minuten vor unserem heutigen Etappenziel Darvoz bei Kalaikum finden wir ein Restaurant. Wir sind alle total fertig und schlafen beim Essen fast ein, nicht zuletzt, weil irgendwann das Licht ausgeht. Irgendwie raffen wir uns dann aber doch wieder auf, denn das Restaurant ist nicht weit weg von Karon und so beschließen wir danach noch hoch zu der antiken Stadt zu wandern. Aus den 1,4 km laut Schild werden in der Realität 2 km pro Richtung, die auf dem Rückweg bergab deutlich leichter zu passieren sind. Wir machen ein paar schöne Fotos und lassen den Abend ruhig im Homestay ausklingen. Wir sind froh, dass wir Karon noch machen konnten; eigentlich war das für den Hinweg geplant, aber da wir so früh aufstehen mussten um rechtzeitig die Straßensperrungen zu passieren, hatten wir dafür keine Zeit.

Am nächsten Tag fahren wir mit einen tiptop geputzten Auto zurück nach Duschanbe und machen wieder einige schöne Fotos. Unser Fahrer hat am Vorabend noch das Auto geputzt, weshalb wir alle Sachen rausnehmen mussten. Das passte uns ganz gut, so konnten wir schon alles für den Flug nach Khujand zusammenpacken. Ein letztes Mal frühstücken wir in unserem Homestay auf der Terasse über dem Flüsschen. Apropos, der Fluss führt nun richtig viel Wasser und ist eher ein reißender Strom geworden, dabei waren wir nur ein paar Tage weg. Gestern Abend wurde es auf der Terasse auch noch ziemlich abenteuerlich, da es extrem windig war und der Wind so einige Sachen umgeworfen bzw. in den Fluss geweht hat, z.B. die Schüssel der Besitzerin. Unser Guide erzählt uns am nächsten Tag, dass der Wind Afghanka genannt wird, also afghanischer Wind.

Am letzten Tag passiert noch so einiges. U.a. erzählt unser Guide, dass sie alle Check-Points nur passieren konnten indem sie Geld über den Tisch haben wachsen lassen. Üblich sind wohl 1 oder 2 Dollar. Natürlich sagt kein Beamter, dass er Geld will, er stellt einfach nur viele Fragen und am Ende bezahlen die Tadschiken halt Geld, um weiterfahren zu dürfen. Das Gleiche passiert wohl bei der Polizei, die uns allein in Kubol gleich zwei Mal anhält. Manchmal zieht das Argument, dass unser Guide sagt, er hat internationale Gäste im Auto, aber nicht bei allen. Ausserdem werden wir beim Mittagessen noch so richtig abgezogen. An der Straße in Nurek fragen wir nach einem Platz zum Essen und die Kinder dort weisen auf einen Ort ein kleines Stückchen weiter. Der ist wirklich traumhaft, mit einem Taptschan direkt am Wasser. Wir essen leckeren Fisch und Pilze, gehen am Ende sogar noch baden, was auch ziemlich toll ist, wenn auch viel kälter als erwartet. Der Schock kommt dann erst am Ende als wir unseren Guide einsammeln wollen und der mit dem Besitzer lautstark diskutiert. Vom Guide erfahren wir später, dass sie dreimal so viel für das Essen haben wollten wie üblich und, dass sie wohl das Gewicht des Fisches beim Fang, nicht, wie üblich, beim Servieren berechnet haben. Nach 15 Minuten Diskussion und einem 1:3 Ungleichgewicht, bezahlt unser Guide verärgert. Er sagt, er habe soetwas noch nie erlebt und wird sich beim Bürgermeister beschweren, damit der Laden geschlossen wird. Ob er das am Ende tatsächlich macht oder den Einfluss hat, wissen wir nicht, manchmal sagt man solche Dinge ja auch nur so dahin in Rage. Es tut uns trotzdem leid für ihn und überschattet etwas den tollen Nachmittag und Ort dort. Die Fotos sind aber ganz nett geworden.

Nurektal

Am Ende bringen uns die beiden noch zum Flughafen, wir geben Ihnen beiden ein großzügiges Trinkgeld und verabschieden uns von Ihnen. Der Fahrer fand uns sehr nett, will uns nächste Woche in Duschanbe zum Spaziergang treffen und wir tauschen Nummern aus. Er fragt, wann wir wieder mal hier sind und ob er uns anrufen kann, wenn er in den USA ist, was wir bejahen. Auch unser Guide meint, dass er vielleicht die Stadtführung in Duschanbe nächste Woche organisiert. Vielleicht sehen wir dann beide ja noch einmal vor der Abreise wieder, was uns sehr freuen würde. Dann können wir mit dem Fahrer auch noch einmal Englisch üben. Das haben wir während der letzten Tage ständig gemacht und er hat richtig viel aufgeschnappt, mir sogar den einen Tag eine Vokabelliste gezeigt und ich habe ihn abgehört. Er scheint jetzt richtig motiviert zu sein. Das freut uns.

31. Mai: Von Bulunkul zurück nach Khorugh

Heute machen wir die Runde voll und fahren zurück nach Khorugh. Zuvor jedoch absolvieren wir zu viert eine kleine Wanderung von unserem Homestay zum Bulunkulsee. Zum Glück ist es relativ flach hier, denn auf ca. 3700 Meter sind wir ganz schön aus der Puste. Wir haben gut geschlafen, unser Fahrer allerdings nicht. Bei ihm zeigten sich schon am Vorabend die typischen Symptome der Höhenkrankheit: Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit und nachts dann auch Schlafschwierigkeiten. Am Morgen ist er total übermüdet und friert, denn sein Reisegepäck besteht nur aus einer kleinen Tüte und seine Standardkleidung aus einem Tshirt, einer Jeans und Lederjacke. Er hat keinen Pulli mit, kein Halstuch oder ne Mütze, nicht mal eine Sonnenbrille. Julian gibt ihm seine Daunenjacke für die Wanderung zum See am Morgen, die er erstaunlicherweise auch annimmt. Irgendwann während der Reise sagt Ismail selbst auch, dass er wohl nicht für die Berge gemacht ist. Hahaha, ja, das mag sein.

Die kleine Wanderung zum Bulunkulsee ist sehr schön und eine nette Abwechslung von den die Tage doch dominierenden Autofahrten. Es ist so ruhig hier, man hört nur das Zwitschern der Vögelchen und niemand ist hier. Es macht Spaß über die nassen Flächen seinen Weg zu finden und teilweise auch zu springen. Ich habe da mit den Stöcken schon einen kleinen Vorteil im Vergleich zu den Männern, von denen unser Guide und Fahrer später sogar mit nassen Schuhen zurückkehren. Wir sehen auch ein paar Pferdchen und eine Kuh mit ihrem Kalb. Als wir das Kalb genauer beobachten, bemerken wir, dass es noch sitzt und beim Aufstehen extrem unsicher ist, sogar wieder zusammenbricht. Wir vermuten, dass die Mutter es gerade erst geboren hat. Nach ein paar Versuchen schafft es das Kleine dann aufzustehen, und auf dem Rückweg unserer Wandeung sehen wir, wie die beiden langsam von Dannen ziehen. Toll, dass wir gerade im richtigen Moment ankamen.

Nach der Wanderung haben wir noch etwas Zeit bis zum Mittagessen und erkunden den kleinen Ort. Ich hätte nicht gedacht, dass das soviel Zeit in Anspruch nehmen würde, da dort nur ca. 20 Häuser standen. Das ist die übliche Art vor Ort die Einwohnerzahl zu bestimmen – über die Häuser, das hatte ich schon auf der Wanderung mit dem Dorfbewohner bei Garm Chashma gelernt. Die genaue Einwohnerzahl weiß man da einfach nicht. Naja, zurück zum Thema, wir erkunden also den Ort. Es fängt damit an, dass wir den Besitzer unserer Unterkunft in den Container, der zur Wetterstation gehört und sich direkt vor der Unterkunft befindet, gehen sehen. Als er nach wenigen Minuten herauskommt, sprechen wir ihn an. Er erzählt uns, dass er alle 3 Stunden, Tag und Nacht, die Wetterdaten nach Khorugh übermittelt. Hier herrschen im Winter wohl sogar um die minus 60 Grad Celsius. Er macht das seit 3 Jahren, davor hat das sein Vater 40 Jahre lang gemacht. Er hat damit eine sichere Einkommensquelle. Ausserdem erzählt er, dass er der Lehrer im Ort ist. Er unterrichtet Mathe, Tadschikisch und Russisch. Er hat 5 Jahre in Khorugh studiert und dort einen Wirtschaftsabschluss gemacht, ausserdem hat er 2 Jahre in Murghob die Lehrerausbildung absolviert. Sehr interessant, denken wir, und sind froh, dass ich Russisch spreche, was Vieles hier einfacher und uns unabhängiger vom Guide macht. Am Ende zeigt er uns noch sein Treibhaus, in dem sie Gurken und Kräuter anbauen. Sie haben auch eine Jurte, wie auch ein oder zwei andere im Ort, die sie im Sommer an Touristen vermieten. Jetzt ist es aber noch zu kalt darin zu übernachten.

Der Ort Bulunkul
Die Wetterstation

Auf dem weiteren Spaziergang schauen wir uns die Schule von außen an, kaufen etwas im einzigen Shop im Ort, der extra für uns aufgeschlossen wird, schauen uns die Brunnen an, aus dem eine Frau auch gerade manuell Wasser holt, beobachten einen Nachbarn beim Hausputz, bewundern die Stapeltrockentechnik für den Kuhmist, der zum Heizen verwendet wird, essen frisches Brot, das uns auf dem Spaziergang von einem Dorfbewohner geschenkt wird, erheitern uns an seiner Technik, den Motor des Autos anzuwerfen (ein paar kräftige Schritte gegen das linke Vorderrad haben wirklich geholfen) und genießen einfach die Landschaft und Ruhe. Hier kann man sich richtig gut entspannen, auch, wenn der Ort das auf den ersten Blick nicht vermuten lässt und mit den europäisch erschlossenen Seeerholungsgebieten nicht vergleichbar ist. Uns hat es hier trotzdem richtig gut gefallen und wir sind froh, dieses Highlight durch einen Tag länger im Pamir statt im Norden reingeschoben zu haben.

Der Dorfshop
Kuhmist wird zum Heizen getrocknet
Der Brunnen

Beim Mittagessen treffen wir auf die indischen Touristen, die gerade ankommen als wir fertig sind. Unser Fahrer beschwert sich beim anderen Fahrer, dass er ihn über den Zustand der Straße falsch beraten hätte; der andere Fahrer meint, er konnte die ganze Nacht nicht schlafen, weil er sich Sorgen um uns gemacht hatte. Naja, ob das wohl stimmt. Sie erzählen, dass nun Schnee auf dem Pass liegt und der Fahrer zeigt an, dass der Schnee bis zum Knie reicht. Als er jedoch, auf Wunsch unseres Fahrers, ein Video davon zeigt, sehen wir, dass er etwas übertrieben hat, denn, die Straße war frei, und der Schnee kam auch erst nach dem Check-Point auf. Wir sind trotzdem froh schon am Vortag ohne Schnee an den steilen Hängen vorbeigefahren zu sein.

Wir sollen im Verlauf des Tages immer mal wieder auf die indische Gruppe treffen, meistens wird das eine Überholjagd zwischen den Fahrern, die sich gegenseitig etwas hochschaukeln, es bleibt aber eigentlich alles sehr freundlich. Am Abend ruft uns der Fahrer der anderen Gruppe sogar an und empfiehlt uns ein günstiges Hotel in Khorugh. Es ist wohl seine Art sich für den falschen Rat zu entschuldigen, oder, was eher meine Vermutung ist, er bekommt vielleicht doch auch etwas Geld oder vermittelt zumindest an einen Freund, da er selbst aus Khorugh stammt. Wie auch immer, das Hotel ist wirklich toll und, laut unserem Guide, auch gar nicht so viel teurer als ein Homestay. Am Ende will er mit dem Eigentümer einen Deal machen, dass Sie in der Zukunft immer hierher kommen. Wir finden das Hotel auch wirklich klasse und eine nette Abwechslung zu den doch sehr einfach gehaltenen Homestays, wenn auch die Dusche im Hotel wohl Luft führt und daher ab und zu gar kein Wasser mehr rauskommt, es sei denn man öffnet den Wasserhahn am Waschbecken um die Luft abzulassen. Die Unterkunft liegt auch vielmehr im Zentrum als der Homestay, in dem wir auf der Hinfahrt übernachtet haben. Unserem Guide war es dort aber zu kalt, deshalb hatten wir eh nach einer anderen Unterkunft für die Nacht Ausschau gehalten.

Auf dem Weg nach Khorugh sehen wir viele Murmeltiere. Am Vortag hatten wir diese schon gehört, aber noch nicht gesehen, und wir hatten schon ein bisschen Angst, dass uns der Fahrer und Guide nicht glauben, dass es sie gibt. Der Besitzer unsere Unterkunft hatte zwar auch gemeint, dass es hier unendlich viele gibt, aber lang haben wir sie nicht gesehen. Vielleicht auch wegen des schlechten Wetters am Vortag. Jetzt jedenfalls sehen wir massig davon und sie sind eher golden, sehen ganz anders aus als die bräunlichen Murmeltiere in den Alpen, die wir kennen. Unser Fahrer läuft sogar einem hinterher und treibt es in die Enge. Es muss sich unter einem Stein verstecken. Unser Fahrer verletzt sich dabei sogar an einem Stein und wir müssen ihn später noch verarzten. Wir machen eine Nahaufnahme von dem Murmeltierchen, fühlen uns aber auch irgendwie schlecht. Am Besten lässt man die Tiere doch in feier Wildbahn in Ruhe leben.

Am Abend gehen wir noch schnell etwas essen. Sie wollen mit uns wieder in das usbekische Café, aber da Julian sich nach dem letzten Besuch übergeben hatte, gehen wir in ein anderes Restaurant. Julian meint später, den Kellner wiederzuerkennen und fragt sich, ob die beiden Restaurants wohl zusammen gehören, aber unser Guide meint, es kann auch sein, dass er einfach mehrere Jobs hat. Wie auch immer, heute essen wir mal Mantij, das sind mit Hackfleisch gefüllte Teigtaschen. Das nimmt jeder von uns und sie schmecken wirklich sehr gut, wenn auch, wie immer, viel zu viel. Und so geht wieder ein eindrucksvoller Tag im Pamir zu Ende.

30. Mai: Über Bibi Fotima und den Khargush-Pass zum Bulunkulsee

Heute geht es Julian wieder richtig gut. Das freut uns. Am Morgen machen wir uns auf zu den heißen Quellen von Bibi Fotima, bennant nach Mohammeds Tochter. Diese liegen relativ weit oben und wir fahren am Ende eine Weile die Serpentinen hinauf. Auf dem Weg dorthin stoppen wir zunächst an einer kleinen Festung, die wir während eines kurzen Stopps zu Fuß zu viert erklimmen. Ausserdem bangen wir danach eine Weile um die Fortführung unserer Reise, denn ein LKW ist im Sand stecken geblieben und versperrt einen Teil der Straße. Der andere Teil wird von dem Bagger versperrt, der hilfeeilend auch steckengeblieben ist. Wir scheinen jedoch zum Finale zu kommen, denn innerhalb einer Viertelstunde haben die Arbeiter das rechte Rad des Baggers mit einer improvisierten Straße aus kleinen Steinen befreit und er schafft es rauszufahren. Der LKW ist zwar immer noch nicht frei, aber jetzt kann man vorbei fahren. Ich bezweifle, dass wir das mit unserem Auto schaffen, denn der Sand ist ganz schön tief, aber unser Fahrer hat Selbstvertrauen und schafft es, mit etwas Geschwindigkeit, auch tatsächlich gut durch. Alle Leute applaudieren ihm, denn das war wirklich nicht offensichtlich. Zuvor hatte der lokale Fahrer eines anderen Autos, in dem vier indische Touristen saßen, die Straße mit seinem Toyota Land Cruiser verlassen und ist über die recht großen Steine neben der Straße gefahren. Es wirkt auf uns etwas waghalsig, aber er schafft es. Die indischen Touristen erzählen uns später an den Quellen, wo wir uns erst kennenlernen, dass sie eineinhalb Stunden gewartet hatten, dass der LKW oder Bagger wohl wegfährt, und dann ihr Fahrer wohl die Nase voll hatte und vorbeigefahren ist. Die Schweizer im Wohnwagen hinter uns, die wir an ihrem St. Gallener Nummernschild erkannt und auch schon mehrmals gesehen hatten, entscheiden sich allerdings nicht vorbeizufahren, denn sie würden wegen des Winkels vermutlich gegen den LKW stoßen.

An den Thermen angekommen, gehen wir hier tatsächlich getrennt baden. Der Männerbereich ist außen und viel schöner, wie ich später auf den Fotos sehe, aber gemeinsam baden ging nicht, da dann doch sehr viele Leute da waren und die Mitarbeiter hier doch lieber ihr Konzept beibehalten. Wir verabreden uns eine halbe Stunde später wieder am Ausgang. Ich gehe nackig baden, da zwei lokale Frauen, das auch so machen, die Männer sind etwas schüchtern und baden in Badehose, außer der Franzose. Dessen Freundin, eine Engländerin, treffe ich später auch noch kurz, ansonsten bade ich noch mit den Inderinnen, von denen nur zwei und fast komplett bekleidet reingehen. Wir erfahren, dass das Baden in dieser heißen Quelle wohl die Fruchtbarkeit anregen soll und, dass viele Frauen, die kein Baby bekommen, wohl extra deswegen hierher kommen. Im Reiseführer steht, dass man dafür in einer kleinen Höhle neben dem Wasserfall innehalten soll. In dieser Höhle, die für die zierlichen Tadschikinnen ok sein soll, sind wohl schon westlichen Touristen steckengeblieben. Naja, der Wasserfall befindet sich im Männerbereich, aber das Wasser ist ja dasselbe 😉

Nach den heißen Quellen geht es weiter Richtung Langar. Unser Guide hatte sich immer mal wieder und zuletzt in Ishkoshim erkundigt, wie die Sicherheitslage in der Region ist, und es scheint ruhig zu sein. Ansonsten wären wir umgedreht und hätten eine längere Route zum Bulunkulsee genommen. Auf der Weiterfahrt muss unser Fahrer irgendwann mal austreten. Julian und ich schauen uns die Umgebung an und wundern uns über das blaue Schild am Wegesrand. Ich zoome es ran und, obwohl wir es nicht lesen können, wird uns klar: da wird vor Mienen gewarnt. Als wir unseren Fahrer schnurstracks auf dieses Gebiet zulaufen sehen, warnen wir ihn und er kommt vollkommen überrascht sofort zurück und bedankt sich bei uns. Wir sagen ihm, dass er doch auf der anderen Straßenseite auf Toilette gehen kann, aber er will nicht. Ihm hat das wohl soviel Angst gemacht, dass wir direkt weiterfahren, ohne Toilettenstop für ihn.

Am Nachmittag erreichen wir Langar, einen kleinen Ort in dem es einen Homestay und Shop gibt. Wir sind noch unentschieden, ob wir hier bleiben oder zum Bulunkulsee über den Khargush-Pass weiterfahren sollen. Eigentlich haben wir alle Hunger und wollen Mittagessen, aber das würde noch eine Stunde dauern. Unser Fahrer hat in der Zwischenzeit mit dem Fahrer der indischen Touristen geredet, der meinte, die Straße über den Pass wäre gut, allerdings riet er davon ab noch am Nachmittag weiterzufahren, wohl wegen dem Wetter und da niemand hinter uns wäre, falls etwas passiert. Am Ende geht es allerdings doch für uns weiter, was wir alle ganz gut finden. Wir decken uns noch mit Brot ein, falls wir liegen bleiben sollten, und ziehen nach kurzer Pause weiter. Die Fahrt über den Pass ist abenteuerlich. Es geht bis auf 4344 Meter hoch und wird ganz schön kalt, am Check-Point schneit es sogar. Die Straße ist allerdings nicht gut, ganz im Gegenteil, und am nächsten Tag wird sich unser Fahrer beim Fahrer der indischen Gruppe auch beschweren, dass er ihm falsche Infos gegeben hätte. Zwischen den Beiden wird in den nächsten Tagen eine Art Hassliebe entstehen… Mehr dazu folgt.

Am Ende erreichen wir, wenn auch spät und schon im Dunkeln, heil den Bulunkulsee und bleiben über Nacht in einem Homestay dort. Unser Guide checkt zunächst, ob die Räume ok sind, denn von aussen sieht die Siedlung sehr heruntergekommen aus. Innen ist aber alles in Ordnung. Der Besitzer macht uns den Ofen an, es wird mit Kuhmist geheizt, und seine Frau kocht uns ein leckeres Abendessen: es gibt panierten Fisch zum Knabbern, eine Suppe und Salat. Wir essen das auf dem Dastarkhan, was in Zentralasien den Ort bezeichnet, an dem traditionell gegessen wird. Unser Guide hatte etwas mehr als sonst bestellt, da wir kein richtiges Mittagessen hatten, nur etwas Brot und einen Schokoriegel aus dem Shop. Wir schaffen unser Abendessen, obwohl es super lecker schmeckt, natürlich nicht komplett. Am Abend unterhalten wir uns noch gut über deutsche und andere Autos. Der Besitzer unserer Unterkunft hört gespannt zu. Viel läuft heute Abend auf Russisch, aber für Julian übersetze ich regelmäßig.

29. Mai: Auf zu den heißen Quellen und weiter zum Eingang des Wakhan-Korridors

Heute kriegen wir mal richtig viel Schlaf. Erst um 9 Uhr fahren wir los. Für Julian war die Nacht allerdings nicht so schön. Obwohl wir alle das Gleiche gegessen haben, hat Julians Magen das Essen vom Vorabend wohl nicht so gut vertragen. Nachdem der Magen die ganze Nacht rumorte, entledigt er sich des unverträglichen Essens am frühen Morgen. Danach fühlt Julian sich sofort besser. Die Magentropfen zum Frühstück und magenschonende Kost sollen ihm helfen schnell wieder auf die Beine zu kommen.

Unser erster Stopp heute sind die Thermen von Garm Chashma. Normalerweise wird getrennt gebadet: es gibt Männer- und Frauenzeiten. Der Mitarbeiter sagt aber, wir könnten wählen, ob wir in einem Séparé gemeinsam baden oder im Hauptbereich. Wir gehen uns beide Orte anschauen und als wir im Hauptbereich eintreffen, sehen wir eine Gruppe nackter Männer. Wir sind etwas überrascht in einem muslimisch geprägten Land Nacktbader anzutreffen und merken später an der Reaktion unseres Fahrers, der total schockiert ist, dass das wohl eher ungewöhnlich ist. Die Männer geben uns zu verstehen, dass wir auch dazukommen sollen und ehrlich gesagt, tendieren wir auch zu dem Hauptbereich, da dieser draußen und einfach viel schöner ist. Wir sind aber etwas verunsichert, gehen erst einmal zurück und fragen unseren Guide, ob das angemessen ist. Der bespricht das mit dem Mitarbeiter, dieser wiederum fragt die Männer und diese sagen, es ist Ok für sie, wenn wir gemeinsam im Hauptbereich baden. Wir gehen also wieder zurück. Jetzt trägt jeder Mann plötzlich seine Unterhose, in der er badet. Hahaha. Vermutlich hat der Mitarbeiter ihnen das angeordnet. Wir ziehen uns also in einer der offenen Kabinen um. Freundlich weisen mir die Männer die Kabine zu, vor der sie sitzen, und ich ziehe meinen Bikini an. Dann baden wir nur ca. 15 oder 20 Minuten, länger geht es gar nicht so richtig in dem 60 Grad heißen Wasser. Ich klettere sogar noch auf den kleinen Felsen und erreiche zwei kleinere Quellen, die, wie wir später von einem Dorfbewohner erfahren, 75 Grad heißes Wasser transportieren. In dem Moment ist mir nur klar: das Wasser ist mir viel zu heiß!

Nach dem Thermenbesuch geht es auf eine kurze Wanderung. Da Julian sich nicht fit genug fühlt, bleibt er mit unserem Fahrer im Auto. Eigentlich will er schlafen, aber dann unterhalten sich beide die gute Stunde, die wir unterwegs sind, doch die ganze Zeit. Es hilft ihnen ein Onlineübersetzer, denn Julian spricht kein Russisch und Ismail kein Englisch. Auch ich amüsiere mich prächtig auf der Wanderung mit dem Guide und einem Dorfbewohner, der uns freiwillig begleitet und unheimlich viel über den Ort weiß. Nach dem Mittagessen mit Schaschlikspießen am Fluss tauschen Julian und ich uns aufgeregt über alles aus. Ich erzähle ihm, dass wir an der eisenhaltigen Narzanquelle waren, dass der Dorfbewohner erzählt hat, dass die Leute mittlerweile nur noch 3-4 Mal im Leben ihr Haus neu bauen müssen (früher sogar öfter), da diese von Lawinen oder Steinschlägen beschädigt werden oder, dass der Dorfbewohner jeden auf dem Friedhof kannte und mir auch erklärt, woran sie gestorben sind. Mir fiel insbesondere auf, dass einige junge Menschen dort lagen (zwischen 20-25 Jahren) und es scheint als wären gehäuft einige beim Drogenschmuggel umgekommen (dem sie sich aus Mangel an anderen Einkommensalternativen zuwenden) und andere hätten sich aus wirtschaftlichen Problemen heraus das Leben genommen. Julian auf der anderen Seite erzählt mir, dass er ein sehr interessantes Gespräch mit Ismail zum Ukrainekrieg hatte und, dass Ismail vor einigen Monaten einen schrecklichen Schicksalsschlag erlitten hat.

Am Abend erreichen wir dann Ishkoshim, den Eingang des Wakhan-Korridors. Auf der Fahrt entstehen wieder wunderschöne Fotos und auch ein Gruppenbild mit uns vieren. Im Homestay treffen wir ein deutsch-rumänisches Pärchen, das wir irgendwie komisch finden. Erst gehen sie beim Einchecken rückwärts wieder mit ihren Rucksäcken raus, was die Vermieterin gar nicht gut findet, dann bleiben sie, aber nur, weil sie den Preis viel zu niedrig diktieren und die tadschikische Gastfreundschaft jemanden nicht abweisen würde. Später erzählen sie, dass es ihnen wichtig ist, den lokalen Leuten etwas zurück zu geben. Gleichzeitig behandeln sie unseren Guide aber etwas herablassend und erwarten von ihm ständig zu übersetzen. Irgendwie ist es zwar nett mal ein paar Touristen zu treffen und sich mit ihnen zu unterhalten, aber so richtig werden wir nicht warm mit ihnen. Zum Glück ist unser Auto voll und es besteht kein Zwang sie mitzunehmen, denn sie trampen oder benutzen Sammeltaxis, wo es welche gibt, um sich fortzubewegen. Julian kriegt von alledem aber nicht so viel mit. Ihm geht es seit unserem kleinen Spaziergang durch die Stadt wieder schlechter und er hat sich hingelegt, steht nur kurz zum Essen auf. Wir bemerken, dass er 39 Grad Fieber hat und nehmen an, dass der Körper wohl irdendetwas bekämpft, was im Essen war. Er nimmt eine fiebersenkende Tablette und schläft fast die ganze Nacht gut durch. Erleichtert stellen wir am nächsten Morgen fest, dass das Fieber weg ist und Julian sich wieder deutlich besser fühlt.